Cato 09 - Gladiator
bleiben, dann ging er mit Macro zum Stadttor, um den Gegner aus der Nähe zu inspizieren. Macro überschlug eilig die Zahl der Aufständischen, denn bald würde es dafür zu dunkel sein. Die Sklaven marschierten in lockeren Gruppen unterschiedlicher Größe, hier da und da blitzten im Licht der untergehenden Sonne polierte Helme, Rüstungen und Waffen auf.
»Das müssen über zwanzigtausend Mann sein, Herr.« Macro hatte so leise gesprochen, dass der nächststehende Wachposten ihn nicht hören konnte. »Vielleicht sogar dreißigtausend.«
Sempronius blies die Wangen auf und musterte die Heerscharen, die sich vor der Stadtmauer sammelten. »In Rom würde mir das niemand glauben. Ein Sklavenheer? Eine groteske Vorstellung.«
»Aber sie ist Realität, Herr.«
»Ja.«
Als die Kolonnen sich auflösten und die Sklaven ihr Lager aufschlugen, fiel Macro eine Bewegung ins Auge. Eine Gruppe von Reitern löste sich aus der Menge und näherte sich im Trab der Stadt. Sempronius bemerkte sie einen Moment später und murmelte: »Ajax?«
»Wer sonst?«
Die Reiter hielten außerhalb der Reichweite der Bogenschützen an. Einer von ihnen trabte weiter vor. Er war schlank und sehnig und trug die Schuppenweste eines römischen Offiziers und darüber eine hellblaue Tunika. Einer der Bogenschützen spannte beiläufig den Bogen und zielte auf den Mann.
»Weg mit dem Bogen!«, blaffte Macro ihn an. »Niemand schießt ohne meinen ausdrücklichen Befehl!«
Der Reiter zügelte sein Pferd, wendete es und ritt langsam an der Stadtmauer entlang. Die eine Hand in die Hüfte gestemmt, musterte er mit hochmütiger Herablassung die Verteidiger. Macro war heilfroh, dass er noch nicht die Fußangeln im Gras hatte verteilen lassen. Diese Überraschung wollte er sich für den richtigen Moment aufheben.
»General Ajax grüßt seine ehemaligen Herren!«, rief der Reiter mit klarer, angenehmer Stimme.
Sempronius wandte belustigt den Kopf zu Macro herum. » General Ajax? Der Gladiator besitzt Ehrgeiz.«
»Der General wünscht den Mann zu sprechen, der sich als Statthalter der Provinz bezeichnet«, fuhr der Sklave fort. »Senator Sempronius.«
Sempronius schnaubte gereizt.
Macro lächelte. »Und er ist gut informiert. Worüber mag er wohl sprechen wollen?«
Nach kurzem Schweigen zuckte Sempronius resigniert mit den Schultern. »Es gibt nur eine Möglichkeit, das zu erfahren.«
Er stieg zum Tor hinunter.
kapitel 19
A jax beobachtete an Kharims Seite, wie sein Emissär auf die Stadtmauer zuritt. Chilo, der erst vor kurzem zusammen mit einer kleinen Gruppe von Flüchtlingen zu Ajax gestoßen war, hatte sich seitdem als äußerst tapfer erwiesen. Allerdings neigte er zum Leichtsinn, was Ajax schon beim ersten Zusammenstoß mit einer römischen Patrouille aufgefallen war. Es schien so, als habe er keine Angst vor dem Tod, obwohl er jetzt, da er die Ketten der Sklaverei abgeschüttelt hatte, wieder Freude am Leben hatte. Chilo zählte zu seinen beliebtesten Leutnants. Er war frei geboren, als Sohn eines Athener Kaufmanns. Als der Geschäftspartner seines Vaters vor der alljährlichen Steuerzahlung mit dem letzten Silberstück verschwand, war die Familie ruiniert gewesen. Der Steuereintreiber hatte den Kaufmann, wie es rechtens war, gezwungen, sich und seine Familie in die Sklaverei zu verkaufen. Chilo war damals fünf gewesen und wurde auf dem Sklavenmarkt von seiner Familie getrennt, als er von einem römischen Beamten erworben und als Haushaltssklave zu seinem kretischem Landgut verschickt wurde.
Dies alles hatte Ajax während des langen Marsches durch die zerstörte Provinz am abendlichen Lagerfeuer in Erfahrung gebracht. In den Jahren seiner Knechtschaft hatte Chilo nur wenig geredet, und als er davon erzählte, brannten seine Augen vor Hass – was Ajax gut nachempfinden konnte. Der Unterschied zwischen Menschen, die unfrei zur Welt gekommen und solchen, die erst später versklavt worden waren, kannte er gut. Erstere fügten sich bis zu einem gewissen Grad in ihr Schicksal. Sie hatten sich zwar seiner Armee angeschlossen und kämpften auch recht gut, doch den meisten mangelte es an der fanatischen Entschlossenheit, die Chilo und die anderen auszeichnete, die ihr Sklavenleben als Schande empfunden hatten. Noch die kleinste zugefügte Ungerechtigkeit hatte sich in ihre Seele eingebrannt. Als Ajax über seine eigenen Erfahrungen nachdachte, war ihm klargeworden, dass der Hass eine ähnliche Wirkung hatte wie ein schleichendes Gift.
Sein Vater
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