Cato 10 - Die Legion
Er trat einen Schritt zurück.
»Darf ich Legat Caius Candidus vorstellen, ehemals Befehlshaber der in Diospolis Magna lagernden römischen Armee. Im Sack liegt auch noch seine Ringhand, als weiterer Beweis seiner Identität. In den anderen Säcken befinden sich die Köpfe der Offiziere, die ihn begleiteten, als meine Männer und ich den Legaten und seine Begleittruppe vor fünf Tagen angegriffen haben.«
Das Zelt des Prinzen war geräumig, der Boden mit Teppichen und Kissen bedeckt. Durch Schlitze im Dach, das von mehreren kräftigen Pfosten getragen wurde, drang Licht herein. Ajax stand in der Mitte des Zeltes, dem Prinzen zugewandt. Das von oben einfallende Licht umhüllte seinen Körper wie mit einem Strahlenkranz. Talmis lag an der hinteren Wand des Zeltes auf einem Diwan. Er trug ein weißes Gewand, edelsteinbesetzte Goldringe schmückten seine dunklen Finger. Wie Ajax hatte er einen eindrucksvollen Körperbau, und unter dem leichten Stoff seines Gewandes zeichneten sich mächtige Muskeln ab. Der nubische Prinz hatte ein breites Gesicht, und ein sauber geschnittener Bart bedeckte seine Wangen.
Zwischen den beiden Männern lagen die Köpfe der römischen Offiziere und Candidus’ beringte Hand auf einer großen Messingplatte. Talmis betrachtete sie kurz. Dann hob sich sein Blick zu dem Gladiator, der zwischen zwei wachsamen Speerkämpfern aus der Leibwache des Prinzen vor ihm stand.
»Es ist üblich, dass meine Besucher vor mir niederknien.« Talmis sprach Griechisch, wie viele der gebildeteren Leute am Hof seines Vaters. Sein Tonfall war neutral, aber Ajax begriff die in den Worten enthaltene, verhüllte Drohung sehr gut. Dennoch blieb er stehen und überließ es dem Prinzen, weiterzusprechen.
»Warum kniest du nicht vor mir nieder, Gladiator? Ich kann kaum glauben, dass deine römischen Herren dich nicht die Ehrerbietung gelehrt haben, die einem Sklaven geziemt.«
»Ich bin kein Sklave mehr, Euer Hoheit«, antwortete Ajax fest. »Und dasselbe trifft auch auf meine Gefolgsleute zu. Wir sind freie Männer, das haben wir uns mit unseren Waffen erkämpft. Wir erkennen keinen Herrn an und sind keines Königs Untertan. Daher knien wir auch vor niemandem nieder.«
»Verstehe«, antwortete Talmis langsam und verzog die Lippen zu einem leichten Lächeln. »Ein solcher Hochmut ist recht verwegen für jemanden, der sich unbewaffnet mitten in meinem Armeelager befindet. Wenn ich wollte, könnte ich dich auf die richtige Größe zurechtstutzen lassen, solltest du dich weiter weigern, vor mir niederzuknien. Und was ist ein Mann ohne seine Beine?«
»Wenn du mir so etwas antätest, müsstest du auch meine Männer töten. Und das würde dich eines nützlichen Verbündeten in deinem Kampf gegen Rom berauben. Ganz zu schweigen von den Männern, die wir töten würden, bevor du uns niederstrecken könntest.«
»Mir scheint, du unterschätzt meine Leibwächter, Gladiator.«
»Wirklich?« Ajax lächelte. Dann, bevor einer der Nubier, zwischen denen er stand, reagieren konnte, drehte er sich um und entriss dem Mann zu seiner Rechten den Speer. Er stieß ihm den Schaft zwischen die Beine und riss das Holz nach oben. Die Beine des Wächters schossen hoch, und der Mann stürzte auf den Rücken. Den Speer mit beiden Fäusten umklammernd, wirbelte Ajax herum und parierte den Stoß, den der andere Wächter auf seine Brust gezielt hatte. Dann schlug er dem Mann das Speerende ins Gesicht. Benommen ließ der Mann seinen Speer los, und die Waffe fiel zu Boden. Ajax verhakte seinen Fuß hinter dem Stiefel des Wächters und stieß erneut mit dem Speerende zu. Der Mann krachte zu Boden. Ajax wirbelte den Speer herum, stellte sich über den Wächter und setzte ihm die Speerspitze an die Kehle. Nach einem Moment des Innehaltens senkte er den Speer, packte den Mann bei der Hand und zog ihn hoch. Dann gab er den Speer an den ersten Wächter zurück, der sich gerade erst wieder aufgerappelt hatte.
»Und ich glaube, dass du uns Gladiatoren unterschätzt, Hoheit.« Ajax nahm seinen Platz zwischen den beiden benommenen Wächtern wieder ein, die ihn misstrauisch beäugten.
Talmis hatte sich rasch aufgesetzt, als Ajax die Wächter entwaffnet hatte, und die Hand auf den reich verzierten Griff seines Dolchs gelegt. Nun ließ er los und lachte. »Ich hätte nicht an dir zweifeln sollen. Ich habe Gerüchte gehört, dass Roms Sklavenkrieger Männer sind, mit denen man rechnen muss. Nun sehe ich, dass die Gerüchte der Wahrheit
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