Cato 10 - Die Legion
Legion unter einer langen Friedenszeit litt.
Mit einem lauten Knall schlugen die Wachposten am Eingang der Kolonnade die Hacken zusammen, und ein Optio bellte: »Achtung, Befehlshaber!«
Die Offiziere erhoben sich und standen in strammer Haltung da, als Aurelius das Bassin entlangschritt. Sein Spiegelbild lag schwankend auf dem Wasser, das von einem sanften, heißen Windstoß gekräuselt wurde. Er nahm seinen Platz hinter einem Klapptisch ein und blickte theatralisch von einem Offizier zum anderen, als sähe er sie zum ersten Mal.
»Setzen, meine Herren.«
Die Offiziere ließen sich wieder nieder und saßen dann in Erwartung seiner Ansprache still da. Aurelius hielt eine Schreibtafel in der Hand, legte sie vor sich auf den Tisch und blickte auf die Notizen, die er in die Wachsfläche geritzt hatte. Macro beobachtete ihn mit einem Gefühl des Unbehagens. Er zog Befehlshaber vor, die sich ohne Notizen an ihre Männer wandten, als stammten ihre Worte direkt aus dem Herzen. Aurelius gab sich als einer jener Offiziere zu erkennen, denen das Vertrauen in ihre eigene Autorität fehlte und die Gedankenstützen brauchten, um einen solchen Anlass zu überstehen. Das war kein gutes Zeichen.
Aurelius blickte auf und räusperte sich. »Wie ihr inzwischen zweifellos alle gehört habt, ist der Legat tot. Er und seine Eskorte sind vor ein paar Tagen auf dem Weg nach Ombos niedergemetzelt worden. Ob arabische Banditen oder eine nubische Patrouille dahinterstecken, wissen wir nicht.« Er hielt inne und schluckte. »Als Lagerpräfekt der Zweiundzwanzigsten Legion und damit ranghöchstem der vor Ort befindlichen Offiziere fällt das Kommando über die Armee mir zu. Es ist meine Pflicht, unsere Truppen gegen die Nubier zu führen und die von Legat Candidus begonnene Aufgabe zu vollenden, nämlich den Feind entscheidend zu schlagen und so schnell wie möglich aus der Provinz zu vertreiben.«
Cato fiel auf, dass zwar einige Offiziere die Absichten ihres Befehlshabers mit einem zustimmenden Nicken begrüßten, andere aber nicht. Einige sahen besorgt drein, und vereinzelte Offiziere unterhielten sich flüsternd mit ihren Nachbarn.
»Zu diesem Zweck«, fuhr Aurelius fort, »werde ich unsere Feldzugspläne im Anschluss an diese Versammlung mit meinen Stabsoffizieren durcharbeiten. Die mir direkt unterstellten Offiziere erhalten ihre Befehle morgen bei Tagesanbruch. Übrigens, da ich gerade von Offizieren spreche, ich freue mich, euch zwei Neuzugänge vorstellen zu können. Als Erstes meinen neuen Obertribun.« Er forderte Cato mit einem Wink zum Aufstehen auf. »Cato ist frisch aus Alexandria eingetroffen, wo der Statthalter ihn für die Dauer der Feindseligkeiten zur Zweiundzwanzigsten Legion abkommandiert hat. Der Statthalter versichert mir, dass er sich trotz seiner relativen Jugend bereits großartige militärische Verdienste erworben hat. Dasselbe gilt für meinen neuen Primus Pilus. Steh auf, Macro.«
»Ich bin doch kein dressierter Affe«, knurrte Macro, erhob sich und blickte sich mit finsterer Miene unter den Offizieren um.
»Ihr könnt euch wieder setzen«, sagte Aurelius huldvoll. Nachdem sich Macro und Cato wieder niedergelassen hatten, ließ der neue Kommandant den Blick erneut über seine Offiziere wandern und nickte. »Wir haben eine große Herausforderung vor uns, meine Herren. Es ist lange her, seit die Legion und die Hilfskohorten der Provinz ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen mussten. Zweifellos wird es Kritiker geben, die behaupten, dass wir verweichlicht seien und dass die Soldaten dieser Provinz sich nicht mit den Truppen des restlichen Imperiums messen könnten.« Er hielt inne und schaute kurz auf sein Wachstäfelchen. »Ihnen sage ich, dass sie sich irren. Unsere Zeit ist gekommen, und wir werden dem Rest des Imperiums zeigen, wozu die Soldaten der Provinz Ägypten fähig sind. Ich habe gehört, dass der Feind in der Überzahl ist. Umso besser. So erringen wir nur umso größeren Ruhm.« Er warf noch einen kurzen Blick auf das Wachstäfelchen und lächelte. »Die Augen des Kaisers ruhen auf uns, meine Freunde. Das römische Imperium beobachtet uns mit angehaltenem Atem. Wenn wir unseren großen Sieg errungen haben, wird das Imperium uns nicht vergessen, und jeder Mann hier wird sich dessen bis ans Ende seiner Tage rühmen können!«
Aurelius stieß seine Faust in die Luft. Eine Handvoll Offiziere folgte seinem Beispiel und dann noch einige weitere, die sich beim neuen Befehlshaber einschmeicheln wollten.
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