Cato 10 - Die Legion
bleibt.«
»Nun ja, hier in Ägypten ist es anders«, antwortete der Lagerpräfekt knapp. »Candidus wurde von Kaiser Tiberius gegen Ende seiner Regierungszeit ernannt. Die Befehlshaber der ägyptischen Legionen und der Statthalter werden aus dem Ritterstand ernannt. Senatoren dürfen hier keine hohen Ämter bekleiden. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Kaisers dürfen sie übrigens noch nicht einmal in die Provinz einreisen. Die Ernennungen sind daher in Ägypten viel dauerhafter.«
»Und was ist mit dir, Herr? Du kannst nicht die ganze Zeit Lagerpräfekt gewesen sein.«
»Nein, das stimmt. Ich habe diesen Rang jetzt seit drei Jahren inne. Davor war ich Primus Pilus.«
Macro warf Cato einen Blick zu, unfähig, seine Bestürzung zu verbergen. Der Primus Pilus, der ranghöchste Centurio der Legion, war traditionell der härteste, tapferste und erfahrenste Offizier. Der schmale, adrette Aurelius war in eine Tunika aus feinstem Stoff gekleidet, und sein Panzer war mit Einlegearbeiten aus Gold- und Silberspiralen verziert. Aber im Gegensatz zu Macro und Cato trug er keinen Lederharnisch, um die Orden daran festzustecken, die er für Tapferkeit und gewonnene Schlachten verliehen bekommen hatte. In jeder anderen Legion, in der Macro gedient hatte, waren der Lagerpräfekt und der Primus Pilus erfahrene Kämpfer mit einer Palette von Auszeichnungen auf der Brust gewesen. » Du warst ein Primus Pilus, Herr?«
»In der Tat.« Aurelius blickte finster. »Ich habe lange genug gedient.«
Macro wollte noch etwas sagen, aber Cato hinderte ihn mit einem lauten Husten daran. Bevor sein Freund das Thema weiter vertiefen konnte, fragte er: »Was hast du jetzt vor, Herr?«
»Was ich vorhabe?«
»Jawohl, Herr. Du bist der nächste in der Hierarchie. Jetzt, da Candidus tot ist, bist du der Befehlshaber der in Diospolis Magna zusammengezogenen Truppen.«
»Natürlich bin ich das«, erwiderte Aurelius knapp. »Das weiß ich.«
Er stand einen Moment lang still da und blickte zu Boden. Dann nickte er. »Ich werde meine ranghöchsten Offiziere zusammenrufen. Sie müssen über Candidus’ Tod informiert werden. Und dann werden wir uns mit den Nubiern befassen.« Er blickte auf, machte den Rücken gerade und räusperte sich. »Wir werden uns heute Mittag hier im Hauptquartier versammeln, meine Herren.« Damit machte er kehrt und marschierte zum Eingang des Priesterquartiers.
Cato sah ihm nach und sagte dann leise: »Was hältst du von unserem neuen Legaten?«
Macro wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Ich muss sagen, dass er mich nicht gerade ermutigt. Anscheinend hat er während seiner ganzen Laufbahn vor allem mit Schreibarbeiten zu tun gehabt. So etwas wie die Zweiundzwanzigste habe ich noch nie gesehen. Einen gemütlicheren Posten gibt es wohl in der ganzen Armee nicht. Die Soldaten stolzieren am Nil herum, während ihre Offiziere nichts Besseres zu tun haben als abzuwarten, bis sie in die Position des Primus Pilus oder des Lagerpräfekten aufrücken. Ihr Götter!« Er schüttelte entnervt den Kopf. »Ich hoffe nur, dass die anderen führenden Offiziere nicht genauso sind. Oder ihre Leute. Ich sage dir, Cato, ich bin nicht scharf darauf, mit einem Haufen Bürokraten, die hier nur ihre Dienstzeit absitzen, in den Krieg gegen die Nubier zu ziehen.«
Cato nickte und blickte geistesabwesend vor sich hin. Macro seufzte müde. »Na gut, was geht dir durch den Kopf?«
»Entschuldigung?« Cato schaute seinen Freund mit leerem Blick an.
»Ich kenne diesen Gesichtsausdruck doch bei dir. Der Körper ist da, aber der Geist ist bei den Musen. Also, worüber denkst du nach?«
»Wir sollten nach dem Überlebenden des Hinterhalts sehen.«
»Warum denn?«
»Da stimmt irgendwas nicht.« Cato kaute auf seiner Unterlippe herum. »Der Decurio wirkte wie ein fähiger Mann, aber er war unübersehbar nicht überzeugt, dass die Araber oder die Nubier den Legaten getötet hatten. Komm schon, Macro.«
Die Krankenabteilung war in einem großen, luftigen Pavillon im hinteren Bereich des Tempelkomplexes eingerichtet worden. Cato und Macro trafen den Wundarzt der Legion bei seiner Krankenrunde an. Wie die meisten Ärzte der Legionen im ganzen Imperium war auch er ein Orientale. Sein dunkles Gesicht war von silbrigem Haar umrahmt. Haupthaar und Bart waren kurz geschnitten. Seine Falten erzählten von den langen Jahren, die er in diesem Beruf gedient hatte. Als er Catos Bitte hörte, den Verwundeten sehen zu dürfen, der kurz zuvor in die
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