Cato 11 - Die Garde
ruhig hinter dem Kaiser versammelt waren, befanden sich auch Verräter, die ihm nach dem Leben trachteten, während andere sogar den Tod der ganzen Kaiserfamilie planten. Dann war da noch die Rivalität zwischen Nero und Britannicus auf der einen und Narcissus und Pallas auf der anderen Seite sowie das Konkurrenzverhältnis zwischen dem Prätorianerpräfekten und dem frisch dekorierten Tribun Burrus.
Cato fand diese Fassade von Ordnung, Pflichtbewusstsein und Loyalität, die man dem römischen Volk präsentierte, deprimierend. Diese Leute waren Menschen aus Fleisch und Blut, genau wie die gewöhnlichen Bürger, doch ihr Lebensinhalt war ein ständiger Kampf um Einfluss, Macht und Reichtum, der, wenn man von Pomp und Würde einmal absah, allein dem Eigennutz diente. Die bleierne Verzweiflung, die mit dieser Erkenntnis einherging, lastete schwer auf Catos Schultern. Aber so war es eben, und solange die Mächtigen allein auf ihr eigenes Wohl bedacht waren anstatt auf das ihrer Untertanen, würde sich daran auch nichts ändern.
Unwillkürlich fragte er sich, ob es für Rom nicht vielleicht besser wäre, wenn die Liberatoren den Kaiser, dessen Familie und das ganze Drumherum des Kaiserhofs tatsächlich beseitigen würden. Im Grunde hatte er keine Ahnung, wie das Leben in der Republik gewesen war. In Rom gab es nur noch eine Handvoll Männer und Frauen, die damals schon gelebt hatten, und deren Erinnerungen waren altersbedingt getrübt und daher unzuverlässig. Die Beweggründe derer, die den Tyrannen Cäsar ermordet hatten, waren ins Reich der Legenden entrückt. Der Anspruch der Liberatoren, ihre Nachfolge anzutreten, war ebenso hohl wie die zur Schau gestellte Loyalität derer, die sich hinter dem Kaiser versammelt hatten. Despoten, alle miteinander, dachte Cato verdrießlich. Der einzige Unterschied bestand darin, dass einige nach der Macht strebten, während andere sie behalten wollten. Der Rest der Menschheit war ihnen gleichgültig, solange die Bewahrung ihrer Pfründe nicht ein öffentliches Schauspiel erforderlich machte.
Macro hatte recht. Fernab von Rom mit all seinem Verrat, seinen Ausschweifungen und Übertreibungen, welche die Männer verweichlichten und Schurken oder Narren aus ihnen machten, waren sie besser aufgehoben. Sie sollten sich wieder in die Reihen der Legion eingliedern, wo der Wert eines Mannes darauf gründete, dass er die strengen und ehrlichen Anforderungen des Militärlebens erfüllte. Auf einmal fragte sich Cato, ob seine Sehnsucht nach den Gewissheiten des Soldatenlebens vielleicht schwerer wog als seine Liebe zu Julia, denn wenn er sich mit ihr verband, konnte das bedeuten, dass er fortan in Rom leben müsste. Er spürte, dass er die Antwort bereits kannte, verschob die Entscheidung aber auf später. Währenddessen kam die Ordensverleihung zum Abschluss, und der frisch gekrönte Tribun Burrus wandte sich seinen Männern zu und befahl der Kohorte, zum Lager zurückzukehren …
Am nächsten Tag marschierte die Kohorte zum Fuciner See, wo die letzten Vorbereitungen für das bevorstehende Spektakel getroffen wurden. Der Wechsel der Jahreszeiten zeigte sich im frischen Grün der Bäume, Büsche und Weinreben in der Gegend, welche die Kohorte durchquerte. Man hatte Tragestangen an die Männer ausgegeben, auf denen sie ihr Essgeschirr, ihre Ersatzkleidung und die kargen Rationen schleppten. Für die Dauer des Schauspiels sollte die Kohorte in der Nähe der frisch errichteten Unterkünfte lagern, in denen Claudius und dessen Gäste auf keinerlei Annehmlichkeiten würden verzichten müssen.
Das Wetter hatte sich grundlegend gebessert, und die Sonne schien auf die marschierenden Prätorianer herab. Die gute Witterung hatte nach dem kalten, feuchten Winter die Stimmung der Männer gehoben, die munter plauderten und sangen. Die Offiziere hatten die Disziplin ein wenig gelockert und freuten sich über die gute Stimmung unter den Soldaten, sodass man beim Anblick der Kolonne eher an einen kameradschaftlichen Ausflug dachte als an ein Manöver der Eliteformation der römischen Armee. Selbst Macro, durch und durch Soldat, war es zufrieden, ohne Schritt mitzustapfen. Es tat ihm gut, Rom hinter sich zu lassen, das vertraute Knirschen der Nagelstiefel zu hören, das Gewicht des Tragejochs auf den gepolsterten Schultern zu spüren und an der aufgekratzten Kameradschaft der Soldaten teilzuhaben. Die Straße führte durch eine hügelige Gegend, und ständig boten sich neue Ausblicke auf Felder mit frisch
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