Cato 11 - Die Garde
habe den Eindruck, dass Claudius im Moment die größte Hoffnung für Rom ist. Deshalb müssen wir alles tun, was in unseren Kräften steht, um ihn zu schützen .«
»Claudius ?« Macro schüttelte den Kopf. »Ich glaube, du hast zu viel Wein getrunken .«
Cato neigte sich vor. »Hör zu, Macro, ich bin nicht betrunken … Ich mein’s ernst. Wir haben genug von der Welt gesehen, um zu wissen, dass Rom trotz all seiner Fehler nicht das schlechteste aller Reiche ist. Wo Rom herrscht, da herrschen Ordnung und Wohlstand, und es gibt dort – auch wenn du nicht viel Wert darauf legst – Kultur. Es gibt Bibliotheken, Theater und Kunst. Und auch ein gewisses Maß an religiöser Toleranz. Ganz im Gegensatz zu diesen Horten des Hochmuts und der Heuchelei wie in Britannien und Judäa .« Cato schauderte bei der Erinnerung an die Druiden und die judäischen Fanatiker, gegen die er und Macro gekämpft hatten. »Rom ist die größte Hoffnung der Menschheit .«
»Ich bezweifle, dass die Menschen, die wir auf dem Schlachtfeld geschlagen und versklavt haben, sich deiner Sichtweise anschließen würden .« Macro blickte in die kleinen Flammen, die vom verkohlten Holz und der Asche emporloderten. »Du bist ein Idealist, Cato. Ein Schwärmer. Es geht nicht nur um ein Kräftemessen. Wir erobern, weil Rom das nun mal tut, und wir sind gut darin .«
»Es geht nicht nur um rohe Gewalt … « , setzte Cato an, dann hielt er inne. »Na schön, die gibt es auch. Aber Rom hat mehr, sehr viel mehr zu bieten als nur das Schwert. Zumindest könnte es so sein, wenn man von dem einen oder anderen Kaiser absieht. Ich habe sie aus nächster Nähe kennengelernt. Tiberius und dieses Ungeheuer Gaius. Beide haben mit skrupelloser Grausamkeit geherrscht. Claudius hat sich trotz all seiner Schwächen bemüht, es besser zu machen. Die Frage ist, glaubst du, dass der junge Britannicus oder Nero seine guten Ansätze fortführen wird ?«
»Darüber habe ich noch nicht nachgedacht .« Macro gähnte. »Solange sie den Legionen ihren Sold zahlen und die Feldzüge denen überlassen, die was davon verstehen, soll mir alles recht sein .«
Cato musterte ihn ungläubig. »Das nehme ich dir nicht ab. Meinst du, ich wüsste nicht, was dich im Herzen bewegt ?«
Macro schaute ihn an. »Selbst wenn ich die Dinge ähnlich sehen würde wie du, bin ich doch alt genug, um zu wissen, dass es reine Zeitverschwendung ist, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Wirst du die Welt verändern? Werde ich sie verändern? Nein. Das ist uns nicht gegeben. Das war es nie und wird es nie sein. Das ist nichts für Männer unseres Standes. Glaubst du etwa, ich hätte nicht auch mal so gedacht wie du ?« Macro hielt inne und schlug einen milderen Ton an. »Das ist wie ein süßes Fieber, aber das Alter hilft dagegen. Nein, ich bin müde. Ich leg mich jetzt schlafen. Das solltest du auch tun .«
Macro erhob sich, den halb leeren Weinschlauch in der Hand, nickte Cato zu, ging zur Eingangsklappe des Abteilungszeltes und verschwand darin. Cato zog die Knie an, schlang die Arme darum und blickte in die flackernde Feuersglut. Wie stets ärgerte und enttäuschte ihn Macros beschränkte Weltsicht gleichermaßen. Cato war im Herzen noch jung genug, um maßlose Träume und Hoffnungen für seine Zukunft zu hegen, und von anderen erwartete er, dass sie ähnlich dachten wie er. Taten sie das nicht, lag das an ihrem mangelnden Vorstellungsvermögen oder an ihrer fehlenden Bereitschaft. Doch während in seinem Herzen das Feuer des Ehrgeizes brannte, vergegenwärtigte er sich kühl den Standpunkt seines Freundes. Es lag eine gewisse Weisheit in Macros Worten, doch wenn sich die Weisheit auf höheres Alter und größere Erfahrung beruft, wird sie selten geschätzt.
Die Nachtluft war kühl, und Cato versuchte zitternd, sich warmzuhalten. Jenseits des Feuers sah er den kaiserlichen Pavillon, der aufgrund seiner weißen Farbe im Sternenlicht schwach leuchtete. Er hätte gern gewusst, was in den Köpfen von Claudius und dessen Erben vorging. In den Köpfen von Männern, die nicht in der gesichtslosen Masse untergingen wie die meisten. Trotz seines Ehrgeizes und seiner Träume war sich Cato sehr wohl bewusst, dass die Menschen noch in tausend Jahren von Claudius sprechen würden, während er und Macro wie zahllose andere auch im Staub der Geschichte begraben und vergessen wären. Mit schwelender Verachtung starrte er so lange auf die Umrisse des kaiserlichen Pavillons, bis die Glut des Feuers
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