Cato 11 - Die Garde
Das Geschrei des Pöbels war jetzt deutlich zu hören, und schon bald unterschieden sie Wutgebrüll und schrille Angstschreie. Der Qualm war dichter und beißender geworden. Rauchschwaden trieben ihnen entgegen, als sie den Platz erreichten, wo Cato und Macro vor ein paar Tagen in eine Prügelei verwickelt worden waren. Cato blickte zu dem Lokal hinüber; der Wirt schloss gerade die Fensterläden, die auf den Springbrunnen hinausgingen, dann eilte er ins Lokal und versperrte die Tür. Eine hagere, zerbrechlich wirkende Frau saß auf der Brunneneinfassung und stillte einen Säugling mit Glubschaugen und mageren Ärmchen. Sie betrachtete einen Moment lang die vorbeimarschierenden Soldaten und die Sänften, dann erhob sie sich, kam herübergehumpelt und streckte ihnen die Hand entgegen.
»Habt ihr eine Sesterze für mein Kindchen ?« Ihre Stimme klang schwach und gepresst. »Um der Liebe Jupiters willen, schenkt mir eine Münze. Wir haben seit Tagen nichts mehr gegessen, werte Herren .« Sie wollte sich Tigellinus in den Weg stellen, doch der schob sie knurrend beiseite.
»Aus dem Weg, Schlampe! Verschwinde mit deinem Balg. Sonst setzt es was !« Er schwang drohend seinen Stab, worauf die Frau ängstlich zurückwich.
Macro biss verächtlich die Zähne zusammen und brummte: »Schön zu sehen, dass unser Optio den Mumm hat, gegen eine halbverhungerte Frau vorzugehen .«
»Pssst !« , machte Cato.
Sie ließen den Platz hinter sich und marschierten weiter die Straße entlang. Bald darauf trafen sie auf den ersten Toten. In der Gosse lag ein übergewichtiger Mann. Bis auf das Lendentuch war er nackt, die Ringfinger hatte man ihm abgeschnitten. Sein Schädel war blutiges Mus. Ein Stück weiter kamen sie an einer ausgeplünderten, verwüsteten Bäckerei vorbei. Die Kolonne hatte den Rand der Subura erreicht, ebenjenen Stadtteil, der berüchtigt war für seine Armut und das Verbrechen. Die dicht gedrängten Wohnblocks verstärkten die Düsternis, und der Gestank verschlug Cato und den anderen den Atem. Das Geräusch ihrer Schritte hallte von den schmutzigen Wänden wider.
Als sie den Fuß des Hügels erreichten, ertönte an der Spitze der Kolonne plötzlich Geschrei. Cato verrenkte sich den Hals und sah eine kleine Menschenmenge, die sich dem Kaiser und dessen Gefolge in den Weg stellte.
»Gebt den Weg frei !« , übertönte Optio Lurco mit seiner hohen Stimme das Geschrei. »Lasst den Kaiser durch !«
»Das ist Claudius !« , rief jemand. »Haltet die Stellung, Leute. Wir wollen dem Kaiser unsere Beschwerden vortragen .«
Lurco hob den Arm. »Kolonne, anhalten !«
Es herrschte kaum Abstimmung zwischen den Prätorianern, Germanen und Sänftenträgern, weshalb die Kolonne nur stockend zum Halten kam. Über die Köpfe der vordersten Soldaten hinweg sah Cato, dass der Mob teilweise mit Knütteln, Äxten und Stöcken bewaffnet war. Lurco trat vorsichtig ein paar Schritte vor, während immer mehr Menschen hinzukamen und lautstark gestikulierten.
»Ihr gebt jetzt auf der Stelle den Weg für den Kaiser frei! Das sage ich nicht noch einmal !«
»Claudius !« , rief der Wortführer. »Unsere Leute hungern! Gib uns zu essen !«
»Aus dem Weg !« , brüllte Lurco und wandte den Kopf herum. »Zieht die Schwerter !« , befahl er.
Mit einem metallischen Geräusch fuhren die Schwerter aus den Scheiden. Als der Wortführer vortrat, erkannte Cato ihn wieder.
»Cestius .«
Macro sah zu Cato auf. »Der große Kerl aus der Kneipe ?«
»Ja .«
»Scheiße. Der macht ja richtig Ärger .«
Cestius näherte sich der Spitze der Kolonne und rief so laut, dass seine Gefolgsleute ihn hören konnten: »Was ist das? Eine Gesellschaft unterwegs zu einem Festschmaus, möchte ich wetten .« Er wandte sich zur Menge um. »Während unsere Bäuche leer bleiben und unsere Kinder langsam verhungern, stopfen sich diese Herrschaften den Wanst mit Delikatessen voll, dann würgen sie’s wieder aus, damit sie weiterfressen können !«
Zornige Rufe waren zu vernehmen, einige Männer schüttelten die Fäuste. Cestius wandte sich an die Soldaten. »Wir weichen nicht. Wir wollen dem Kaiser unsere Forderungen vortragen. Wir wollen Brot und Getreide zu einem bezahlbaren Preis. Na los, Centurio, gib den Weg frei. Wir wollen mit Kaiser Claudius reden !«
Der Mob johlte zustimmend, und Lurco trat in die Reihen seiner Männer zurück und zog das Schwert. »Schützt die Sänften! Auf mein Kommando langsam vorrücken! Optio, gib den Takt vor! Schilde hoch
Weitere Kostenlose Bücher