Cato 11 - Die Garde
Nero schon bald Titel und Ehren zuerkannt bekommen würde. Nero, ebenfalls mit Toga bekleidet, hatte die Hand seiner Mutter ergriffen, führte sie an die Lippen und küsste sie, bis sie ihm die Hand entzog.
»Hast du das gesehen ?« , zischte Macro. »Was denkt der sich dabei? Will er einen Skandal anzetteln ?«
Cato musterte die Reihen der Soldaten, doch die zeigten keine Reaktion auf Neros Dreistigkeit.
»Vielleicht sind die Leute solche Schauspiele gewohnt « , meinte Cato. »Mal ehrlich, das hat doch Tradition. Vielleicht war’s ja ganz unschuldig gemeint. Vielleicht auch nicht. Wär nicht das erste Mal, dass es in der Kaiserfamilie zu Inzest kommt .«
Macro verzog angewidert sie Lippen. »Perverslinge, alle miteinander .«
Der Spielleiter kam zum Ende, und es erscholl ohrenbetäubender Beifall. Claudius hob den Arm und grüßte lächelnd die Soldaten. Und dann ging es ohne weitere Umschweife auch schon los: mit einem Boxkampf zwischen zwei numidischen Hünen. Sie hatten sich eingeölt und glänzten wie Ebenholz, als sie einander umkreisten und die ersten Hiebe austeilten. Die Prätorianer schlossen Wetten ab und riefen sich die Einsätze zu. Der Kampf währte eine ganze Weile. Der Sand färbte sich rot von Blut, die Lederbandagen der Kämpfer lösten sich. Schließlich ging einer der beiden Kontrahenten zu Boden, begleitet vom Aufstöhnen und Jubel der Zuschauer. Es folgte ein dunkelhäutiger Bogenschütze in fernöstlichen Gewändern, der seine Pfeile mit atemberaubender Treffsicherheit auf eine Strohscheibe schoss, vor der mit ausgestreckten Armen sein junger Assistent Aufstellung genommen hatte. Nach einer kurzen Pause sagte der Leiter das »Trojanische Festspiel « an – eine Demonstration der Reitkunst, dargebracht von den Söhnen römischer Aristokraten. Die Prätorianer spendeten freundlichen Applaus.
Nun ritten etwa zwanzig Männer in die Arena ein. Sie trugen vergoldete Helme, die ihr Gesicht vollständig bedeckten. Ihnen folgten Gardisten mit Zielpfosten und Strohpuppen, die sie in Reihen aufstellten. Als die Vorbereitungen abgeschlossen waren, erhob sich Claudius und nahm den Gruß des Sprechers entgegen, der auf einer reinweißen Stute saß.
»Ihr dürft b-b-b-beginnen !« Der Kaiser nahm mit zitterndem Kopf schwer atmend wieder Platz.
Die jungen Männer ritten abwechselnd auf die Ziele zu und hieben mit ihren Schwertern auf die Strohpuppen ein. Dann reichte man ihnen leichte Wurfspieße. Sie galoppierten an den Zielen entlang, wählten eines aus und schleuderten den Spieß darauf. Inzwischen war starker Wind aufgekommen, der ihnen das Zielen erschwerte. Diejenigen, die es verfehlten, schieden aus dem Wettbewerb aus und verließen die Arena. Nach kurzer Zeit waren nur noch drei übrig, und der Abstand wurde erhöht. Beim nächsten Durchgang schied wieder einer aus. Die letzten beiden Wettkämpfer, darunter auch der Sprecher, waren gute Werfer, und es wurden hohe Wetten abgeschlossen, während die beiden jungen Männer sich miteinander maßen und der Abstand immer weiter erhöht wurde. Schließlich verfehlte der Rivale des Sprechers sein Ziel. Das Publikum jubelte, der Sieger reckte die Faust, wendete sein Pferd zur kaiserlichen Loge herum und zügelte es inmitten einer Sandwolke.
»Ein guter Reiter « , sagte Cato. »Ich wüsste gern, wer das ist .«
Macro zuckte mit den Schultern. »Irgend so ein verdorbenes Früchtchen, das zeigen will, wie toll es ist .« Der Reiter löste die Kinnriemen und nahm den Helm ab. Die Menge stöhnte überrascht auf, dann brach tosender Jubel aus. Der junge Mann war Nero.
Cato blickte den Kaiser an. Jetzt erinnerte er sich wieder, dass dessen Stiefsohn vor einer Weile die Loge verlassen hatte. Neros Mutter war aufgesprungen und klatschte begeistert, der Kaiser strahlte. Die Prätorianer skandierten: »Nero! Nero! Nero !«
Der Junge ritt langsam eine Ehrenrunde und genoss den Applaus. Macro stieß Cato an und zeigte in die Loge.
»Der da ist weniger erfreut .«
Der junge Britannicus stand auf dem Podium neben seinem Vater. Seine Miene verfinsterte sich, und er ballte die Rechte zur Faust. Er entspannte sich erst wieder, als sein Rivale die Arena verlassen hatte und der Jubel der Prätorianer verstummt war. Mittag war vorbei, und der Spielleiter sagte nun ein kurzes Zwischenspiel an, während die Strohattrappen entfernt und die Arena für die Hauptunterhaltung des Tages vorbereitet wurde, die zehn Gladiatorenkämpfe, deren Höhepunkt der Zweikampf eines
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