Catriona
will ich nichts mehr von ihr hören.«
»Nun,« meinte ich, »das übersteigt wohl alles, was ich je erlebt habe; ich staune, daß Ihr so kindischen Launen nachgebt. Hier ist eine junge Dame, die sich uns beiden gegenüber als die treueste aller Freundinnen erwiesen hat, die uns lehrte, wie man sich anzieht, ja die uns ein gut Teil Gesittung beibrachte, wie jeder, der uns vor und nach unserer Bekanntschaft mit ihr kannte, auf den ersten Blick sehen muß –« Aber Catriona war mitten auf der Landstraße stehengeblieben. »Die Sache liegt so,« sagte sie, »entweder Ihr wollt weiter von ihr reden, und ich kehre, komme, was da wolle, zur Stadt zurück, oder Ihr erweist mir die Rücksicht, nicht mehr von ihr zu sprechen.«
So vollkommen ratlos wie ich war wohl keiner auf dieser Welt; aber ich überlegte mir, daß sie ganz und gar auf meinen Beistand angewiesen sei, daß sie dem schwachen Geschlecht angehöre und kaum die Kinderschuhe abgestreift hätte, und daß es mir gezieme, Vernunft für zwei zu zeigen.
»Mein liebes Mädchen,« antwortete ich, »ich begreife an der ganzen Sache keinen Deut, aber Gott verhüte, daß ich Euch auf irgendeine Weise erzürne. Und was das Gerede über Miß Grant betrifft, so ist es mir recht gleichgültig; ich glaube sogar, Ihr habt selbst damit angefangen. Meine einzige Absicht, als ich darauf einging, war, Euch eines Besseren zu belehren; ich hasse selbst den Schein der Ungerechtigkeit. Ich bin weit davon entfernt, einen schönen Stolz und edles, weibliches Zartgefühl an Euch zu tadeln; sie kleiden Euch außerordentlich gut, aber Ihr geht darin zu weit.«
»Seid Ihr jetzt fertig?« fragte sie.
»Jawohl.« »Das ist gut«, meinte sie, und wir setzten unsere Wanderung fort, jetzt aber schweigend.
Es ist unheimlich, in tiefster Nacht zu marschieren, nur von Schatten begleitet, und ohne jedes andere Geräusch als die eigenen Schritte. Anfänglich, glaube ich, brannte viel Feindschaft in unseren Herzen, aber die Dunkelheit und Kälte und das Schweigen, das nur von dem Krähen der Hähne oder von dem Gebell eines Bauernköters unterbrochen war, brachten gar bald unsern Stolz zu Fall. Ich für meinen Teil hätte jede entschuldbare Gelegenheit für eine Anrede mit Freuden begrüßt. Vor Morgengrauen fiel ein warmer Regen und fegte den Frost zu unseren Füßen spurlos hinweg. Da brachte ich Catriona meinen Mantel und versuchte, ihn ihr umzuhängen, aber sie sagte ziemlich ungeduldig, ich solle ihn behalten. »Keinesfalls«, entgegnete ich. »Ich bin ein großer, ungeschlachter Bursche, der bereits alle möglichen Unbilden der Witterung über sich hat ergehen lassen, und Ihr seid ein zartes, hübsches Mädchen! Liebe, wollt Ihr, daß ich mich schämen muß?«
Ohne weitere Worte hüllte ich sie darin ein, und da das in der Dunkelheit geschah, ließ ich fast wie als Liebkosung meine Hand einen Augenblick auf ihrer Schulter ruhen. »Ihr müßt versuchen, mit Eurem Freunde etwas mehr Geduld zu haben«, sagte ich. »Eure Güte nimmt kein Ende«, lautete ihre Antwort.
Und wieder ging es schweigend weiter; jetzt jedoch unter ganz anderen Bedingungen. Das Glück in meinem Herzen brannte wie ein Feuer in einem großen Kamine. Der Regen verging noch vor Tagesanbruch, aber es war ein kotiger Morgen, als wir in die Stadt Delft einzogen. Die rotgegiebelten Häuser nahmen sich zu beiden Seiten des Kanals recht stattlich aus; die Dienstmädel scheuerten und wuschen selbst die Pflastersteine der öffentlichen Heerstraße; Rauch stieg aus hundert Küchen auf, und bei mir meldete sich plötzlich das starke Gefühl, daß es an der Zeit sei, zu frühstücken. »Catriona,« sagte ich, »ich glaube, Ihr besitzt noch einen Schilling und drei Doppelpence?«
»Braucht Ihr sie?« erkundigte sie sich und händigte mir ihre Börse aus. »Ich wollte, es wären fünf Pfund! Was wollt Ihr damit machen?«
»Weshalb sind wir denn die ganze Nacht wie ein paar verirrte Zigeuner umhergewandert?« fragte ich. »Doch nur, weil ich in jener unglückseligen Stadt Rotterdam meiner Börse und all meines Hab und Gutes beraubt wurde. Ich erzähle Euch jetzt davon, weil ich glaube, daß das Schlimmste bereits vorüber ist; immerhin liegt noch ein ziemlicher Marsch vor uns, bis wir dorthin gelangen, wo sich mein Geld befindet; und wenn Ihr mir nicht ein Stück Brot kaufen wollt, muß ich wohl fasten.« Sie sah mich mit großen Augen an. Beim Licht des neuen Tages erkannte ich, daß sie ganz grau und bleich vor Müdigkeit war, und
Weitere Kostenlose Bücher