Catullus - Der Tote im Ghetto - Eine Science Fiction Serie 1 (German Edition)
und Speichelfäden sind zwischen seinen Lippen.
- Alex hatte MSD. Ich habe ihn infiziert. Aus Versehen.
- Soweit ich weiß, ist die heutige Version nicht mehr ansteckend. Wenn dem nicht so wäre, würde man sie wie einen Staatsfeind unter Quarantäne stellen, Billionen hin oder her, Herr Hong.
Hong richtet seinen Oberkörper auf, Beer sieht, wie eine kleine Ader rechts an der Stirn geschwollen ist, als würde sie jederzeit platzen.
- Die Krankheit ist zurück, Beer. Und als ich sah, dass Alex verloren ist, habe ich ihn getötet. Es war die einzige Möglichkeit ... die einzige Möglichkeit, eventuell noch mein Leben zu retten ... Ich bin über die Leiche meines Sohnes gestiegen, nur um eine Chance zu haben ... Ich wollte nicht mit ihm sterben ... Ich bin das Letzte, ich weiß.
Beer legt eine Hand auf Hongs Schulter, in der Hoffnung, er würde so rasch von hier wegkommen, um Doris zu befreien.
- Das ist nur menschlich. Keiner verlangt von einem Vater, dass er mit seinem Kind stirbt.
- ICH HABE IHN ERMORDET, VERDAMMT NOCH MAL! ICH HABE MEINEN VORSÄTZLICH GETÖTET!
- Damit er nicht leidet?
- Er war in Stadium D. Nicht einmal Catullus hat einen Kranken im Stadium D noch heilen können.
Mein Sohn war der Köder, verstehen Sie?
- Köder für wen? Für Catullus? Ich dachte, er hätte ihn getroffen in dieser Parallelwelt, an die die
ganze Welt außer mir zu glauben scheint?
Beer nimmt die Hand von Hongs Schulter. Hong wischt sich die Tränen aus den Augen.
- Köder für Sie, Beer. Mein Sohn war der Köder, um an Sie heranzukommen.
Beer schüttelt den Kopf, zuckt mit den Schultern.
- Ich verstehe gar nichts mehr.
- Sie werden Catullus finden. Sie sind der Einzige, der ihn finden kann.
- Catullus ist tot. Und selbst wenn das Unglaubliche wahr wäre, und er noch leben würde ... Warum sollte ich ihn suchen?
Hong sieht Beer an, und Beer verliert sich in den Augen, all der Schmerz, der Wahnsinn seiner Zeit als Todkranker kommt wieder hoch, und auf einmal laufen in seinem Hirn viele Fäden zusammen, auf einmal kommt ihm ein Verdacht, so ungeheuerlich, so entsetzlich, dass er wie in Trance aufsteht, sich aber auf dem Tisch abstützen muss, um nicht in die Knie zu gehen.
- Ich bin infiziert. Alex' Leiche hat mich infiziert.
- Es tut mir leid, Beer, es musste sein.
- Du verdammter Hurensohn.
- Willst du leben, musst du Catullus finden. Ich hab das Geld, du hast die Eier. Du bist einer von den ganz Harten, Beer, ich habe dich lange genug studiert. Du führst mich zu ihm.
- Ich hasse dich, Hong. Du bist kaputt im Schädel, noch viel kaputter als ich.
- Wir sitzen jetzt beide im selben Boot, Beer.
- Ach, fick dich.
Nur zwei Stunden später ist Beer zurück im Berliner Ghetto, auf dem Weg zu Paco, nur zwei Stunden später ist ihm klar, dass alleine die Berührung von Alex' Leiche ihn aufs Neue infiziert hat, die Pforten einer Hölle geöffnet, er wurde hineingeschleudert, ohne es zu wissen. MS-Disease, benannt nach einer gleichnamigen Pflanzenkrankheit, aus Gründen, die nur Mediziner verstehen, ist ansteckend durch bloße Berührung der Haut eines Angesteckten. Nach der erfolgreichen Eindämmung und Ausrottung der Seuche, gab es nur noch vereinzelte Fälle von MSD, die allerdings nicht mehr ansteckend waren. Mit einer Ausnahme, wie Beer auf seinem Flug von München nach Berlin, von einem spanischen Experten der Zentralregierung erfuhr: Die wenigen Menschen, die MSD überlebten, könnten jederzeit wieder angesteckt werden. Beer sieht die verlorenen Ghettoseelen, die sich durch die Straßen schleppen, krank oder zugedröhnt, meistens beides, und zum ersten Mal seit Jahren spürt er, dass sich seine Augen mit Tränen füllen. Er möchte nicht zurück. Nicht zurück in diese Nächte voller Schmerz, der kein einziges Medikament, keine Droge eindämmen kann, ein Schmerz, der 99,98 Prozent der Opfer erst in den Wahnsinn, dann in den Tod trieb. Er würde es kein zweites Mal durchstehen. Josef Haringer meldet sich bei ihm, als er etwa einen Kilometer von Pacs Block entfernt ist. Haringer keucht.
- Das ist nicht dein Ernst.
- Hong ist ein Mörder.
- Na und? Na und, Beer?!
- Er hat seinen Sohn ermordet.
- Und selbst wenn ... Selbst wenn!
- Früher gab es mal Menschenrechte. Nicht, dass sie überall durchgesetzt oder akzeptiert worden wären - aber es gab sie wenigstens. Heute hat man akzeptiert, dass es verschiedene Klassen von Menschen gibt. Die Reichen sind unantastbar. Die nicht ganz so Reichen schotten sich
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