Catullus Teil 2 - Korridor zu einer anderen Welt, Science Fiction Serie (German Edition)
Nescio. Sed fieri sentio et excrucior.“
***
Beer sieht die Schwebebahnen vorbeirauschen, er sieht vollautomatische Fahrzeuge geräuschlos durch die Straßen ziehen, Drohnen fliegen, eine Wolkenbombe bringt in wenigen Minuten Sonnenschein, Beer fragt sich, wann die Krankheit zuschlagen wird, wann sie sich Michaela holen wird, wann ihn, wann Hong, wer ist der Erste, wer der Letzte?
- Du hast was vergessen.
- Was hab ich vergessen?
- Unter meinem Kopfkissen lag etwas.
- Michaela ...
- Ich weiß, was das ist. Können wir reden?
- Keine gute Idee, Michaela.
- Ich verstehe.
- Sind deine Eltern noch bei dir?
- Sie bleiben bis übermorgen.
Beer kann den Anblick Michaelas nicht ertragen, er muss jetzt nüchtern denken, also deaktiviert er das Bild und hört nur mehr ihre Stimme.
- Komm bitte zu mir. Ich brauch dich.
- Können dich deine Eltern hören?
- Nein, sie streiten gerade.
- Du weißt, dass du MSD hast? Woher wusstest du es?
- Alex hat es mir erzählt.
- Und du wolltest dich deswegen umbringen?
- Vielleicht.
- Pac behauptet, du hättest dir Pilze reingezogen?
- Wer ist Pac?
- Der Warlord, der dich entführen ließ.
- Oh.
- Hast du sie freiwillig genommen?
- Naja. Die lagen so rum.
- Lagen so rum, hm?
- Ich hatte Angst. Vor diesem irren Warlord. Vor der Krankheit. Ich wusste nicht mehr, was ich tat.
Beer schließt die Augen, stellt sich vor, wie früher die Motoren der Autos und LKWs die Städte mit Lärm erfüllt haben, jetzt kommt der Lärm von den Bahnen, von den Drohnen, von der Musik, überall ist sie, ob man will oder nicht, keiner kann ihr entkommen, sie soll die Menschen beruhigen, sie glücklich machen.
- Du willst also nicht mehr sterben?
- Wer will schon sterben? Das ist nicht die Frage. Die Frage ist: Ist es nicht besser den Tod selbst zu wählen, als dem Tod durch MSD ausgeliefert zu sein?
Beer versucht sich zu konzentrieren, versucht, nicht an Catullus zu denken. Aber der Gedanke ist in seinem Kopf und er wird ihn verfolgen, bis er heute Nacht einschläft - falls er schlafen kann. Sollte er doch alles daran setzen, Catullus zu finden, um herauszufinden, wie er Kranke der ersten Welle geheilt hat? Wie er ihn, Beer, geheilt hat? Jene Tage sind gelöscht, und selbst mithilfe von Hypnose und modernster Technik ist es ihm nie gelungen, herauszufinden, was Catullus mit ihm gemacht.
- Ich fahr ins Ghetto, Michaela. Ich fahr in deine Wohnung.
Beer hofft, dass Michaela versteht, warum er das tut. Dort, nur dort, kann er ungestört mit ihr sprechen, die Überwachung für Minuten austricksen. Michaela könnte ihre Eltern unter einem Vorwand kurz aus dem Zimmer jagen ...
- Okay, Peter.
- Gib mir eine Stunde.
- Peter?
- Wichtig ist, dass du das, was ich dir geschenkt habe ...
- Geschenkt?
- Unter deinem Kopfkissen!
- Oh.
- Dass du das jetzt deaktivierst und wieder aktivierst, ... du weißt ...
- Ich weiß ... und Peter ...
- Yep.
- Ich liebe dich. Ich liebe dich. Ich liebe dich.
- Dreimal?
- Hundertmal. Tausendmal.
- Eine Stunde, Michaela. Eine Stunde.
Beer sitzt in Michaelas Bude, erinnert sich an den Tag, da er Alex' Leiche dort fand. Er sitzt in der Dunkelheit, raucht eine Zigarette, eine, die keinen Lungenkrebs verursacht, eine Zigarette, die gesund ist, so gesund, dass sie ihm alle möglichen Vitamine schenkt. Wow. Als Ausgleich trinkt er eine Flasche weißen Wodka. Danach stürzt Beer durch die Wohnung aufs Klo, übergibt sich, spült, setzt sich neben die Schüssel.
Um 02:37 wird der Kontakt hergestellt. Michaela erscheint vor ihm ... ihr Gesicht ... ihr Lächeln ... junges, dummes Ding ... Was weiß sie über mich, denkt Beer, was weiß sie schon? Nichts weiß sie ... über sein Leben ... die dunklen Schatten auf seiner Seele ... auf die Geister der Vergangenheit ... nichts weiß sie ... von seiner Verzweiflung, seiner Einsamkeit, ... sie denkt, dass die Kraft, die Stärke, die Lebensfreude, die er angeblich ausstrahlt, die Wahrheit ist, aber sie ist nur ein Teil der Wahrheit. Beer ist zerrissen, Beer blutet, Beer zittert, Beer nimmt Drogen, Beer ist ein Engel und ein Teufel, Beer ist alles und nichts, ist lebendig und doch schon tot, ist so voller Licht und Schatten ...
- Ich will mit Alex sprechen, Michaela.
- Du denkst doch, er sei tot!
- Ich muss! Ich muss mit ihm reden! Alex ist der verdammte Schlüssel.
- Schlüssel für was?
Für Catullus, denkt sich Beer. Werimmer „Alex“ ist, mit wem-auch-immer Michaela spricht, er hat
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