Caylebs Plan - 6
bestätigt hat, ist ein Priester für alle Zeiten ein Priester, und wir haben nicht das Bedürfnis, jemanden einzig dafür zu bestrafen oder zu schikanieren, dass er nicht guten Gewissens den Ansichten, den Prinzipien und der Organisation der Kirche von Charis zustimmen kann. Jeder verräterische Akt allerdings wird geahndet, ungeachtet der Person, die sich dieses Verrats schuldig macht.«
»Viele aus unserem Volk werden Euch das Recht absprechen, Mutter Kirche Bedingungen zu diktieren, egal, wie gut Ihr Euer Tun zu begründen wisst, Euer Majestät«, gab Anvil Rock mit einem warnenden Unterton zu bedenken.
»Jeder Einzelne, als Individuum betrachtet, hat das Recht, genau das zu tun«, gab Cayleb sofort unerschütterlich zurück. »Jedenfalls solange es um Fragen des persönlichen Gewissens geht. Wer diese Grenze überschreitet und sich offen dem Gesetz entgegenstellt, das für alle Menschen gilt, wer sich in organisiertem Widerstand gegen die Krone ergeht, wird zum Verbrecher, und als solcher wird man ihn dann auch behandeln. Aber«, seine Augen wurden härter als brauner Achat, »ich würde jedem Einzelnen empfehlen, zu berücksichtigen, dass Erzbischof Maikel ausdrücklich die Lehren aus dem Buch Schueler verworfen hat, in denen es um angemessene Strafen für Ketzerei geht. Wie auch immer die ›Vierer-Gruppe‹ zu handeln beschließen mag, die Kirche von Charis wird nicht für Gräueltaten wie jene verantwortlich sein, die man Erzbischof Erayk angetan hat. Und das Charisianische Kaiserreich wird auch nicht die Städte Unbeteiligter brandschatzen und deren Bewohner ermorden, vergewaltigen und terrorisieren, wie die ›Vierer-Gruppe‹ es für Charis vorgesehen hatte.«
Anvil Rock versuchte, dem Blick aus jenen harten, braunen Augen standzuhalten. Doch nach einem kurzen Moment musste er den Blick abwenden.
»Wozu auch immer es gut sein mag, Meine Lords«, ergriff Cayleb nach wenigen Momenten wieder das Wort, und seine Stimme klang jetzt deutlich sanfter als zuvor, »Sie können sich mit dem Wissen trösten, dass für Kaiserin Sharleyan und mich nach wie vor das Exkommunizierungsschreiben Großvikar Ereks gilt. Theoretisch bedeutet das wohl, dass in den Augen der Kirche jeglicher Eid, den Sie uns leisten, Sie in keiner Weise bindet. Vielleicht sollte ich besser sagen: in den Augen des Rates der Vikare und der ›Vierer-Gruppe‹. Aber vergessen Sie nicht: Ich habe die Absicht, jeglichen Eid, den Sie ableisten, so zu behandeln, als sei er bindend. Aber wenn es Ihnen oder anderen Adeligen von Corisande bei Gewissensfragen behilflich ist ...«
Er zuckte mit den Schultern.
»Euer Majestät, wir ...«, setzte Anvil Rock in recht scharfem Ton an, doch Cayleb schüttelte den Kopf.
»Vergeben Sie mir, Mein Lord!«, unterbrach er ihn. »Ich wollte nicht so klingen, als wolle ich diese Situation auf die leichte Schulter nehmen. Ich möchte auch nicht - nicht auch nur für einen Moment - Ihre persönliche Ehre oder die des Grafen Tartarian in Abrede stellen. Andererseits kennen wir alle doch zumindest einen Corisandianer, der genau diesen Blickwinkel einnehmen wird, um aktiven Widerstand gegen das Kaiserreich zu rechtfertigen. Es wird geschehen, Meine Lords, und wir alle wissen das. Wenn es geschieht, werde ich alles in meiner Macht Stehende versuchen, jegliche Überreaktionen zu vermeiden. Was in meinen Augen Eidbruch bleibt, wird Konsequenzen für jene haben, die ihn begehen oder dazu aufrufen. Es werden Konsequenzen sein, die schwer wiegen. In dieser Hinsicht habe ich ebenso wenig eine Wahl wie jeder andere weltliche Herrscher. Ich werde nicht versuchen, Sie in dieser Hinsicht zu täuschen, und Sie würden es mir ohnehin nicht glauben, wenn ich es anders hielte.«
Einen Moment lang blickte Anvil Rock den Kaiser von Charis nur schweigend an, dann nickte er, mit aufrichtigem, wenngleich vielleicht unwilligem Respekt.
»Wie dem auch sein, Meine Lords«, sagte Cayleb deutlich forscher, »ich denke, uns allen sind die Ausgangspositionen beider Seiten nun klar. Wie ich schon sagte: Meine Bedingungen und Voraussetzungen sind im Prinzip recht einfach, auch wenn ich nicht naiv genug bin zu glauben, es sei nicht kompliziert und schwierig, sie tatsächlich entsprechend umzusetzen. Und mir ist auch bewusst, dass es - bedauerlicherweise - dabei durchaus zu weiterem Blutvergießen kommen kann. Vorerst würde ich Ihnen vorschlagen, nach Manchyr zurückzukehren, um besagte Bedingungen mit den anderen Ratsmitgliedern zu besprechen.
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