Caylebs Plan - 6
wirkte traurig.
»Seitdem wir Cayleb kennen gelernt haben, war es nicht die Heirat an sich, sondern die Implikationen dieser Heirat, die mir Sorgen gemacht haben, mein Schatz.« Sie versuchte zu klingen, als sage sie das leichthin. Doch es gelang ihr nicht, und nun war es an Sharleyan, ihr tröstend die Hand auf den Unterarm zu legen.
»Mutter, ich kann gar nicht sagen, wie Leid es mir wegen Onkel Byrtrym tut«, sagte sie leise.
»Sei nicht albern!«, erwiderte Alahnah. Ihr Ton war ruppig, aber gleichzeitig schimmerten Tränen in ihren Augen. Sie straffte die Schultern und seufzte. »Byrtrym hat immer seine eigenen Entscheidungen getroffen - das weißt du wahrscheinlich besser als jeder andere Mensch. Auch dieses Mal hat er eine Entscheidung getroffen, seine Entscheidung, und für die trägt niemand außer ihm die Verantwortung. Ich kann nur Gott dafür danken, dass Halcom mit seinem Plan keinen Erfolg hatte!«
»Dafür kannst du Edwyrd und dem Rest meiner Leibgarde danken, Mutter«, verbesserte Sharleyan sie düster. »Ohne sie ...«
Sie beendete den Satz nicht, schüttelte den Kopf, und Green Mountain nickte.
»Das habe ich bereits getan: Edwyrd meinen Dank ausgesprochen«, erklärte er. »Ich habe ihm auch noch ein deutlich handfesteres Zeichen meiner Wertschätzung angeboten. Aber er hat es abgelehnt.«
»In aller Höflichkeit, hoffe ich.«
»Selbstverständlich, Eure Majestät.« Green Mountain lächelte sie an. »Wie immer war er ausgesucht höflich.«
»Gut«, wiederholte Sharleyan. Dann ließ sie sich in den Sessel sinken und dachte über die vergangenen Fünftage nach.
Seit fast einem ganzen Fünftag war sie wieder in Cherayth, und jeder einzelne dieser Tage war unglaublich geschäftig gewesen; ein Ereignis hatte das nächste gejagt. Sharleyan hatte die verschiedenen Termine kaum noch alle in Erinnerung und war sich recht sicher, ihr Gedächtnis habe die Reihenfolge bereits ein wenig durcheinander gebracht. Aber trotz ihrer Erschöpfung hatte sie zugleich doch immense Erleichterung empfunden. In der Zeit vor ihrer Rückkehr waren da natürlich die Briefe ihrer Mutter gewesen, die regelmäßig eingetroffen waren, und dazu auch die von Green Mountain - und auch von Cayleb. Doch das war nicht das Gleiche, wie tatsächlich hier zu sein. Nachdem sie mehr als zwölf Jahre auf dem Thron von Chisholm gesessen hatte, war es ihr ... unnatürlich erschienen, sich lediglich auf die Berichte anderer verlassen zu müssen. Hörensagen war etwas anderes als selbst hören, egal, wie vertraut und vertrauenswürdig der Berichterstatter auch war. Und denen, die ihr da Bericht erstatteten, musste noch sonderbarer erschienen sein, dass ihre Monarchin in einem gänzlich anderen Königreich lebte.
»Ich muss zugeben«, sagte sie nach einigen Momenten des Schweigens laut, »dass sich alles in allem die Dinge besser entwickelt haben, als ich zu hoffen gewagt habe.«
»Abgesehen von diesem kleinen Mordanschlag auf Euch, meint Ihr?« Green Mountain klang tatsächlich ein wenig aufgebracht. Sharleyan wurde klar, dass er hinsichtlich dieses Attentats doch deutlich weniger ruhig war, als er vorzugeben versuchte. Angesichts dieses Gedankens wurde ihr Blick sanfter, und sie lächelte ihn an.
»Abgesehen davon natürlich«, räumte sie ein.
»Wir sind hier in Cherayth, muss ich sagen, einigermaßen gut zurechtgekommen ohne dich. Trotzdem ist es eine gute Entscheidung gewesen, Schätzchen, nach Hause zu kommen«, ergriff wieder ihre Mutter das Wort. »Als uns die Kunde von diesem Attentat in Sankt Agtha erreichte, war man hier allgemein doch sehr ... niedergeschlagen.«
»Wie stets ist Eure Frau Mutter eine Meisterin der Untertreibung«, merkte Green Mountain trocken an. »Aber als positiv können wir wohl eines verbuchen: Der Adel hier bei uns, der sich so gern über die Ungerechtigkeit ereifert, bloß von einer Königin regiert zu werden, ist dabei, seine Position zu überdenken. Dieser Sinneswandel ist nicht zuletzt der Wirkung Kaiser Caylebs auf sie geschuldet. Ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu stehen hat Eindruck gemacht. Das hat sie einsehen lassen, dass er nicht nur ein ›prächtiger junger Bursche‹ ist, als der er Eure Frau Mutter offenkundig so beeindruckt hat: Ich halte es seither eher für unwahrscheinlich, dass einer von ihnen ihn reizen und auf sich wütend machen mag. Und selbst wenn sie bereit gewesen wären, das zu riskieren, sollten die Reaktionen auf das Attentat für alle außer den völligen
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