Caylebs Plan - 6
wollte.«
»Was?« Sharleyan hörte, wie verwirrt ihr Gemahl klang, und kicherte leise.
»Natürlich, Dummchen! Ich weiß, ich weiß: Wir haben Hektor offiziell von jeglicher Beteiligung an Halcoms Intrige freigesprochen. Aber meine guten Chisholmianer werden doch nicht so einfach eine derart herrliche Verschwörungstheorie aufgeben!«
»Na wunderbar!«, wiederholte Cayleb und klang dabei unverkennbar angewidert. »Wenn selbst unsere eigenen Leute das glauben, wird es verdammt schwer werden, irgendjemanden sonst von der Wahrheit zu überzeugen!«
»Wir werden einfach unser Bestes geben müssen! Am besten du kommst erst einmal nach Chisholm. Sieht das die Verfassung des Kaiserreiches nicht sowieso vor, dass wir gemeinsam sowohl in Cherayth wie Tellesberg residieren? Dass wir beide hier sind, wird mit ziemlichem Nachdruck dafür sorgen, dass Chisholm die neuen politischen Gegebenheiten hinnimmt. Natürlich«, Sharleyan blickte zum Fenster hinüber und gestattete sich ein anzügliches Grinsen, »bedeutet das, dass du den Winter hier in Chisholm verbringen wirst. Hier gibt es etwas, das du aus Charis vielleicht noch nicht kennst. Es heißt ›Schnee‹.«
»Ich habe von diesem Phänomen schon gehört«, gab Cayleb würdevoll zurück. »Aber du willst mir doch wohl nicht erzählen, es werde in Chisholm so kalt, dass das Zeug sogar auf dem Boden liegen bleibt, ohne zu schmelzen, oder?«
»Das soll schon vorgekommen sein«, versicherte sie ihm und tat sehr ernsthaft.
»Na, dann werden wir den Winter in Zukunft in Charis verbringen.«
»Alles in allem würde mir das auch besser gefallen. Nur im Moment nicht.«
»Warum nicht?« Er schlug einen lockeren Tonfall an. Doch Sharleyan bemerkte sofort, dass in seiner Stimme Besorgnis mitschwang. Das entlockte ihr ein Lächeln.
»Mach dir keine Sorgen! Nicht, weil ich unseren charisianischen Untertanen mehr misstraute als den chisholmianischen. Mir ist bloß der Gedanke gekommen, dass es hier in Cherayth wirklich so richtig kalt werden wird, weißt du.«
»Und?«, fragte Cayleb mit vorsichtigem Misstrauen nach.
»Na ja, wenn es so richtig kalt wird, dann wird ein armer, dünnblütiger Bursche aus dem Süden, einer wie du, gewiss nach Möglichkeiten suchen, sich aufzuwärmen.«
»Und?«, wiederholte Cayleb.
»Und«, erklärte Sharleyan süßlich, »so spontan fällt mir nichts ein, was wärmer wäre als ein schön großes Bett hier im Palast, mit herrlich dicken, großen Decken, in die man sich einmummeln kann. Wenn wir es richtig anstellen, brauchen wir vielleicht, bis der Frühling kommt, überhaupt nicht mehr aufzustehen.«
September,
im Jahr Gottes 893
.I.
Der Tempel, Zion,
die Tempel-Lande
Wir verbringen entschieden zu viel Zeit in Ratszimmern, dachte Rhobair Duchairn. Eigentlich verbringen wir im Allgemeinen zu viel Zeit im Tempel und viel zu wenig Zeit draußen in Gottes Welt. Wir sind viel zu sehr damit beschäftigt, die Annehmlichkeiten des Tempels zu genießen, um den Rest der Welt richtig verstehen zu lernen, die die Erzengel für uns geschaffen haben. Diese Welt, in der das ganze Jahr über zu leben alle anderen keine andere Wahl haben.
In den letzten zwei Jahren war ihm dieser Gedanke immer wieder durch den Kopf gegangen. Duchairn hatte sich ernstlich bemüht, der Erkenntnis auch Taten folgen zu lassen. Doch so sehr er sich auch bemühte, die Pflichten, die mit seinem Amt einhergingen, und die zunehmenden Gefahren und wachsenden Herausforderungen, mit denen sich die Kirche ständig herumschlagen musste, hielten ihn von längeren Ausflügen in die Welt draußen ab.
Aber im Winter wird es dir noch schwerer fallen!, warnte er sich selbst. Wenn der Schnee erst einmal hoch genug liegt und es draußen kalt genug ist, wirst du bloß noch mehr gute Gründe finden, gemütlich in den Gemächern zu bleiben, fernab von all diesen ... Unannehmlichkeiten.
Das Ganze hielt er für eine durchaus treffende Metapher. Und sie hatte nicht das Geringste mit dem Wetter zu tun.
Er blickte auf, als Zahmsyn Trynair durch die Tür kam. Der Kanzler hatte sich verspätet, er war der letzte der ›Vierer-Gruppe‹, der eintraf. Er warf seinen Kollegen ein gehetztes, entschuldigendes Lächeln zu.
»Vergebt mir, Brüder«, sagte er. »Mir ist gerade eben eine Depesche aus Desnairia zugestellt worden. Ich hielt es für das Beste, sie noch entschlüsseln zu lassen, bevor ich hierherkomme.«
»Und? Stand irgendetwas Interessantes darin?«, grummelte Zhaspahr Clyntahn, der
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