Caylebs Plan - 6
so sehr wie an die Vorstellung, dass Corisande jetzt Teil des Charisianischen Kaiserreiches ist?«, fragte er. Mit einem Mal war er ernst.
»Na, das hängt wohl davon ab, wie sehr Corisande wirklich Teil des Kaiserreiches ist«, gab sie zurück. »Im Augenblick steht das ja wohl noch abzuwarten.«
»Das ist wohl wahr«, pflichtete er ihr bei. »Das Gute ist: Ich glaube, Tartarian und Anvil Rock sind jetzt ernstlich davon überzeugt, ich hätte diesen Mord an Hektor doch nicht befohlen. Ich meine, ich glaube nicht, dass Anvil Rock davon überzeugt sein wollte. Aber der Mann scheint mir wirklich integer, und sein Sohn hat sich redlich Mühe gegeben, ihn umzustimmen.«
»Glaubst du also, sie werden sich an die Bedingungen des Friedensvertrags halten?«
»Merlin hat dir das gleiche ›Bildmaterial‹ seiner SNARCs gezeigt wie mir, Liebste. Genau wie du kann ich also nur raten. Im Augenblick neige ich dazu, die Frage zu bejahen. Sicher, es passt den beiden nicht sonderlich - ginge mir an ihrer Stelle gewiss nicht anders. Aber sie sind schlau genug, eine unabänderliche Notwendigkeit auch als solche zu erkennen.«
»Dass du Daivyns Unversehrtheit garantiert hast, ob er nun seinen Thron behält oder nicht, hat gewiss auch nicht geschadet«, warf Sharleyan ein.
»Ja, kann sein. Aber wirklich geholfen hätte es nicht, wenn Anvil Rock und Tartarian nicht zu dem Schluss gekommen wären, ich würde mein Wort so lange halten, wie sie zu dem ihren stehen. Und was auch immer sie denken oder beabsichtigen mögen: Was diese Friedensregelung betrifft, reiten sie und der ganze Rest des Rates im Augenblick auf dem Rücken einer ganz besonders gereizten Peitschenechse. Es gibt nicht allzu viel, was wir tun könnten, um ihnen ihren wilden Ritt angenehmer statt schlimmer zu machen.«
Sharleyan nickte ernst. Cayleb hatte besonders ein wichtiger Grund nach Cherayth zurückkehren lassen: Es galt, den Rat von Corisande zu unterstützen. Der Rat, zu dem auch Sir Koryn Gahrvai, Tartarian und Anvil Rock gehörten, hatte an Prinz Daivyns statt die Regierungsgeschäfte übernommen und bemühte sich, Frieden und Ordnung im Land wiederherzustellen. Die Anwesenheit des Kaisers und seiner Truppen aber hätte diese Aufgabe erschwert. Denn Tempelgetreue und übermäßig patriotische Corisandianer würden sich dann eher dazu bemüßigt fühlen, in den Widerstand zu gehen. General Chermyn, der offiziell das Amt des kaiserlichen Vizekönigs der neuen Provinz Corisande übernommen hatte, bot da schon weniger Konfliktpotential. Cayleb hatte ihm dann auch nur gerade so viel Marines zur Seite gestellt, dass sich zumindest in der Stadt und dem Herzogtum Manchyr herum auch dann noch alles unter Kontrolle halten ließe, wenn es hart auf hart kommen sollte. Aber durch militärischen Druck wollten weder Cayleb noch Sharleyan ihre Herrschaft in Corisande aufrechterhalten.
»Zumindest zu ein paar Aufständen wird es kommen, Cayleb«, sagte Sharleyan nach kurzem Schweigen. »Das ist dir doch auch klar, oder?«
»Ja«, seufzte er. »Das ist unvermeidbar, wenn man bedenkt, dass wir Corisande mit Waffengewalt erobert haben. Das ist eben anders als in Emerald, das wir durch eine Übereinkunft in beiderseitigem Einvernehmen ins Kaiserreich eingegliedert haben. Oder auch in Zebediah. Dieses Mal wird es jemanden geben, der unbedingt ›die Fremden vertreiben‹ will, sei es nun aus echtem Patriotismus heraus oder aus persönlicher Machtgier. Dass religiöse Überzeugungen auch noch eine Rolle spielen, macht alles nur noch schlimmer. Ich gebe mich wirklich nicht der Illusion hin, unsere neuen corisandianischen Untertanen würden ganz wunderbar handzahm und friedlich sein, Sharley! Aber zumindest wollen Tartarian und die Gahrvais das Blutvergießen in Corisande so weit verhindern, wie ihnen das möglich ist. Sie wissen, dass wir letztendlich über die Feuerkraft - und die Flottenstärke - verfügen, praktisch jede nur erdenkliche Form von Rebellion niederzuschlagen. Sie wissen natürlich auch, dass wir es wirklich nicht darauf anlegen, so vorzugehen - aber es könnten, wenn wir müssten. Und was noch wichtiger ist: Sie wissen auch, dass wir es notfalls tun.«
Caylebs Gesichtsausdruck war hart und entschlossen. Als Sharleyan ihren Gemahl im Schein des Mondes anschaute, wusste sie mit einem Mal, dass sie wahrscheinlich denselben Ausdruck im Gesicht hatte. Sie beide wollte kein Blut vergießen, wenn es sich vermeiden ließe. Keiner von ihnen wollte, dass Dörfer oder
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