Caylebs Plan - 6
Städte niedergebrannt würden, dass Menschen wegen Hochverrats an ihrem neuen Kaiser oder ihrer neuen Kaiserin hingerichtet würden. Keiner von ihnen wollte dazu gezwungen werden, zu den rauen Mitteln der Unterdrückung zu greifen, die alle auf Safehold geltenden Regeln des Krieges für eroberte Provinzen vorsahen. Aber man bedrohte sie, das Kaiserpaar und ihr Reich, von allen Seiten. Keiner von ihnen beiden würde nur einen Moment lang zögern, sollte ein hartes Vorgehen gegen Corisande, den Feind seit vielen Generationen, erforderlich werden.
»Nun, nehmen wir einmal an, die zu erwartenden Aufstände oder Rebellionen sind unbedeutend genug, dass General Chermyn ihnen mit den Mitteln begegnen kann, die ihm jetzt schon zur Verfügung stehen - was kommt dann als Nächstes für uns?«, fragte Sharleyan dann.
»Damit werden wir beide - und Merlin - uns einen guten Teil dieses Winters befassen, Liebste«, gab er zurück. »Tatsache ist, dass das, was hinter uns liegt, der einfache Teil war. Im Frühling wird Maigwair ein gutes Stück weiter mit seiner Galeonen-Flotte sein, als mir lieb ist. Gott sei Dank hat er so viel Zeit und Geld auf Galeeren verschwendet! Aber nach dem zu urteilen, was Merlin bislang gesehen hat, muss jemand die Berichte des Grafen Thirsk tatsächlich auch gelesen haben. Und jetzt haben sie genug Informationen über unsere neumodische Artillerie, dass wir es bald mit gut bewaffneten Galeonen zu tun bekommen werden - auf der Gegenseite! Sicher, die werden nicht so gut damit umzugehen verstehen wie wir, und ich habe auch die Absicht, sie so effektiv zurückzuschlagen wie nur möglich. Wie es mein Vater einst ausgedrückt hat: Es ist wichtig, dass jeder einzelne Admiral des Tempels davon überzeugt ist, praktisch schon besiegt zu sein, noch bevor er überhaupt gegen uns in See sticht.
Aber abgesehen davon weiß ich wirklich nicht, was die beste Vorgehensweise wäre. Ich hoffe, ihr beide, Baron Green Mountain und du, könnt mir dabei helfen, eine Antwort auf diese Frage zu finden. Im Augenblick kommt mir das vor wie ein Kampf zwischen einem Todeswal und einem Großen Drachen. Solange wir uns in unserem Element befinden, sollten wir jede Flotte besiegen, die die Kirche nur gegen uns aufzubringen vermag. Das gilt selbst dann, wenn wir zahlenmäßig unterlegen sind - und sei es auch nur, weil wir genau wissen, was wir tun, und sie eben nicht ... noch nicht. Aber wenn wir versuchen, eine Landarmee gegen die Armeen der Festlandreiche aufmarschieren zu lassen, werden die uns gewaltig in den Arsch treten. Vielleicht nicht sofort, aber letztendlich eben doch. Wir können einfach nicht genug Männer auf das Festland schaffen, um den Tempel zur Kapitulation zu bewegen, bevor der Tempel herausfindet, wie sie sich den Vorteil, den unsere neuen Waffen uns verschaffen, ebenfalls zunutze machen können.«
»Willst du damit sagen, es läuft auf eine Pattsituation hinaus?«
»Ja, genau, denn zumindest vorübergehend könnte eine Pattsituation entstehen. Aber weder der Tempel noch wir werden dann aufgeben. Jeder wird versuchen, gegen den anderen anzukommen. Mit all den wirklich schlauen und zu allem entschlossenen Leuten, die es auf beiden Seiten gibt, wird sich dann sicher eine Möglichkeit finden, und das Patt ist vorüber. Es wäre gut, wenn wir in diesem Wettlauf die Schnelleren wären, aber versprechen kann ich das nicht. Bislang sind wir recht gut weggekommen. Aber früher oder später, es kann gar nicht andres sein, rennen auch wir einmal gegen die Wand, Sharley. Und dann besteht die Kunst darin, nicht gleich zu Boden zu gehen oder sich gar den Schädel einzurennen.«
»Naja«, gab sie zurück, kuschelte sich enger an ihn und legte ihre Wange wieder an seine Schulter, »wie du schon sagst: Auch wir haben eine ganze Menge schlauer Leute auf unserer Seite - dich und mich eingeschlossen. Und wir haben Merlin und Erzbischof Maikel und - da bin ich mir doch ziemlich sicher - Gott auf unserer Seite. Gemeinsam sollten wir doch mit allem fertig werden, was jemand wie Clyntahn gegen uns auf die Beine stellen kann.«
.III.
Zion, die Tempel-Lande
»Mir gefällt das nicht, Samyl!«
Ernst schüttelte Hauwerd Wylsynn den Kopf. Er saß seinem älteren Bruder am Tisch gegenüber, vor sich noch die Reste des gemeinsamen Abendessens. Herbstlicher Regen peitschte gegen das große Fenster des Speisesaals, strömte daran herab wie ein transparenter Vorhang. Das abendliche, wolkenverhangene Halbdunkel verwandelte sich in
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