Caylebs Plan - 6
Divisionskommandeur. Aber als Kommandeur einer einzelnen Kampfeinheit wäre er vermutlich schlichtweg eine Katastrophe gewesen. Doch zu seinen Tugenden musste man zählen, dass er einen ausgezeichneten Blick dafür hatte, wie sich ein Gelände nutzen ließ - und Windshare hatte ganz und gar Recht! Die Felder hier, etwa kniehoch mit Baumwollseide bestanden, boten beinahe ebenen Untergrund, und das über eine Breite von gut vier Meilen hinweg. Das Terrain wurde dann, wie Windshare richtig bemerkt hatte, von Westen nach Osten, bedrängt von Hügelketten, schmaler und stieg leicht an. Die Senke, die dieser Erhöhung folgte, war - vermutlich zumindest - groß genug, um einen Großteil von Windshares Kavallerie vor den Blicken des anrückenden Feindes zu verbergen. Die Charisianer würden ihre Gegner erst bemerken, wenn sie unmittelbar vor ihnen stünden. Nichts konnte natürlich den gewaltigen Vorteil wie von Zauberhand verschwinden lassen, den die Charisianer dank ihrer Gewehre hatten. Das Gelände, das Windshare für seinen Hinterhalt ausgewählt hatte, war aber zumindest mit Abstand das beste, was sich finden ließ.
Es gab nur einen Haken: Die Senke lag kaum anderthalb Meilen westlich von Grüntal. Wenn es der Kavallerie nicht gelänge, die Charisianer dort festzunageln, war es praktisch sicher, dass Caylebs Marines Grüntal kampflos einnehmen würden. Und wenn sie Grüntal dann auch noch hielten, wären die Aussichten von Infanterietruppen, aus dem Talbor-Pass zu entkommen, erschreckend gering.
»Jawohl, Mein Lord«, sagte er dann. »Ich kümmere mich sofort darum.«
»Entschuldigen Sie, Brigadier.«
Brigadier Kynt Clareyk, der gerade mit Colonel Arttu Raizyngyr von der Zwoten/Drei der Marines ins Gespräch vertieft gewesen war, blickte auf.
»Ja, Captain Athrawes?«
»Hätten Sie einen Augenblick Zeit für mich?«, erkundigte sich Merlin beinahe schüchtern.
Nachdenklich musterte Clareyk ihn einen Moment lang, dann nickte er.
»Ich muss sowieso zu Colonel Zhanstyns Bataillon hinüber, Seijin Merlin«, sagte er. »Warum begleitet Ihr mich nicht?«
»Danke sehr, Sir«, erwiderte Merlin und wartete ab, bis Clareyk wieder im Sattel seines Pferdes saß.
Dass Cayleb Clareyks Beharren, der Kaiser habe nichts an vorderster Front verloren, einfach nachgegeben hatte, überraschte Merlin immens. Und um der Wahrheit die Ehre zu geben: Er wusste nicht recht, was er davon halten sollte. Einerseits war er hocherfreut darüber, dass Cayleb endlich wieder dort landete, wo er hingehörte - in Sicherheit. Andererseits bereitete ihm Caylebs Entscheidung, ihn, Merlin, an der Front zurückzulassen, ernstlich Unbehagen. Der Rest von Caylebs Leibgarde, ganz zu schweigen von der Kavalleriekompanie, die ihn ständig umgab, sollte zwar mit allem fertig werden, was dem Kaiser begegnen mochte. Aber Merlin hatte schon Caylebs Vater nicht beschützen können. Ob er nun daran schuld war oder nicht, er empfand jedes Mal aufs Neue tiefstes Bedauern, wenn er an König Haarahlds Tod dachte. Er gedachte nicht, bei Caylebs Tod noch einmal durch diese emotionale Hölle zu gehen.
Und dann ist da noch diese andere kleine Überlegung, dachte er trocken, während Clareyk das kurze Gespräch mit Raizyngyr beendete und auf sein Pferd zuschritt. Ich wünschte wirklich, ich hätte ein wenig mehr Zeit darüber nachzudenken, wie ich mit dieser Situation umgehen soll. Ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob Clareyks verstohlene Blicke in meine Richtung wirklich das bedeuten, was ich vermute. Ein plötzlicher Gedanke ließ ihn unwillkürlich ein belustigtes Schnauben ausstoßen. Ja, wenn ich jetzt immer noch Nimue wäre, könnte ich mir durchaus noch einen anderen Grund dafür vorstellen. Und um ehrlich zu sein, ist Clareyk ja auch wirklich süß, und deshalb hätte es mir wahrscheinlich überhaupt nichts ausgemacht ...
Es gelang ihm, sich das Lächeln zu verkneifen, während er beobachtete, wie sich der Brigadier elegant in den Sattel schwang. Im Gegensatz zu vielen anderen Offizieren bei den Marines fühlte sich Clareyk ganz offensichtlich im Sattel ganz wie zu Hause. Nun führte er sein Reittier dicht an Merlins Pferd heran.
Und einen süßen Hintern hat er auch, ging es Merlin durch den Kopf.
»Also, Seijin Merlin«, setzte Clareyk an, der dankenswerterweise nichts von den anerkennenden Gedanken des Seijin wusste, während beide nun aufbrachen, in respektvollem Abstand gefolgt von Major Lahftyn und den anderen Mitglieder aus Clareyks
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