Caylebs Plan - 6
Kommandogruppe. »Ich vermute, Ihr habt mir etwas zu sagen, was niemand sonst hören soll?«
Na, damit wäre diese Frage wohl beantwortet, nicht wahr, hoher Seijin ? , dachte Merlin sardonisch.
»Wie bitte, Brigadier?«, fragte er höflich nach.
»Ich weiß wohl, dass ich das eigentlich gar nicht wissen sollte, Seijin«, gestand Clareyk mit einem schiefen Grinsen ein, »aber ich arbeite schon lange mit Euch, Seiner Majestät, dem Kaiser, und Baron Seamount zusammen. Es konnte mir nicht entgehen, dass Ihr weit mehr seid als nur einer der Leibgardisten Seiner Majestät. Oder auch nur ein Seijin, der zufälligerweise alles Mögliche an interessanten Dingen weiß und der noch viel interessantere Ideen hat. Ich kann mich noch genau erinnern, wie geschickt Ihr mich dazu gebracht habt, die Gründung einer Aufklärer-Schützen-Einheit vorzuschlagen. Und ich erinnere mich genauso deutlich daran, wer auf diesen Namen gekommen ist. Und ich sollte wohl auch so ehrlich sein zu gestehen, dass ich hier und da Gerüchte über Eure Visionen aufgeschnappt habe. Ja, ich habe mich sogar gefragt, wie viel dieser nachtwandlerischen Sicherheit, mit der Seine Majestät die Pläne des Feindes einzuschätzen vermag, eben diesen Visionen geschuldet ist, die Euch ereilen ... oder eben nicht.«
Weil Merlin bereits vermutet hatte, Clareyk habe sich seine eigenen Gedanken zur Rolle des geheimnisvollen Seijin gemacht, gelang es ihm, nicht gequält das Gesicht zu verziehen. Dass sich der Brigadier so viel selbst zusammengereimt hatte, überraschte Merlin allerdings. Vielleicht erging sich Clareyk sogar in Vermutungen, die er im Augenblick noch nicht in Worte zu fassen bereit war.
Na ja, dass er wirklich etwas im Kopf hat, hast du ja schon gewusst, als du ihn zusammen mit Cayleb dafür ausgesucht hast, neue Taktiken für die Infanterie zu entwickeln. Aber es sieht ganz so aus, als wäre sein Verstand noch schärfer, als dir klar war - und an scharfen Messern kann man sich furchtbar schneiden, wenn man nicht höllisch aufpasst! Zeit, das Ganze richtig anzupacken!
»Brigadier«, setzte er an, »wie Sie sich denken können, darf ich dazu nichts sagen, ohne zuvor die Erlaubnis Seiner Majestät einzuholen. Andererseits hat es wenig Sinn so zu tun, als lägen Sie völlig falsch. Mich ereilen tatsächlich Visionen - nennen wir sie einfach mal so. Diese Visionen waren für den Kaiser - und auch schon für dessen Herrn Vater - zu mancher Gelegenheit recht nützlich. Und das erklärt, warum wir uns bemühen zu verhindern, dass sich genau die Sorte Gerüchte, auf die Sie sich gerade bezogen haben, allzu weit verbreiten.«
»Ich verstehe«, sagte Clareyk.
»Da Sie sich zumindest einiges schon selbst zusammengereimt haben, sollte ich einfach loslegen und Ihnen Folgendes erklären: Ich vermag viele Dinge zu ... sagen wir ruhig, zu sehen. Aber ich bin nicht in der Lage, weder in die Zukunft noch in die Vergangenheit zu schauen. Ich sehe immer nur die Gegenwart. Natürlich kann auch das hin und wieder von immensem Vorteil sein. Ich kann aber nicht einfach meine Kristallkugel polieren - und: nein, ein Hilfsmittel dieser Art benutze ich nicht! - und Cayleb dann voraussagen, was Gahrvai und Windshare tun werden, sobald sie herausgefunden haben, dass wir hinter ihnen an Land gegangen sind.«
Nachdenklich schürzte Clareyk die Lippen, dann nickte er, und Merlin sprach weiter.
»Auch wenn ich nicht in die Zukunft zu blicken vermag, kann ich Ihnen dennoch sagen, dass Graf Windshare jetzt gerade annähernd viertausend Mann zusammenzieht - von hier aus noch etwa zwo Meilen weiter die Straße hinab. Aus seinem Blickwinkel ist das sogar eine ziemlich gute Position. Ich vermute, er verlässt sich darauf, dass Sie in diesem Gelände nicht bemerken werden, wie nah er Ihnen ist, bis Sie geradewegs in seine Truppen hineinstolpern.«
»Was eine Gelegenheit sein könnte, den Plan Seiner Majestät in die Tat umzusetzen«, sagte Clareyk nachdenklich.
»Ja, das stimmt. Aber der Ort, den er für seinen Hinterhalt ausgesucht hat, bietet ihm eine viel bessere Gelegenheit, tatsächlich einen Ausfall gegen Sie zu wagen, als ihm zu geben Cayleb von Ihnen vermutlich verlangt hätte.«
»Das mag wohl sein. Aber wenn seine Stellung tatsächlich so gut ist, werden wir, wenn wir ihn nicht dazu bringen können, uns anzugreifen, Halt machen müssen - zumindest bis Brigadier Haimyn zu unserer Unterstützung angerückt ist. Also heißt es entweder, Windshare zum Kampf zu verleiten, oder,
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