Caylebs Plan - 6
zu verausgaben. Auf diese Weise franste die Kolonne auseinander. Dass die kommandierenden Offiziere des Gegners das zuließen, bewies, wie sorglos der Gegner war.
Der Feind hat ja auch keinerlei Grund zur Sorge, dachte Windshare grimmig. In all den Stunden, die wir die Kerle schon beobachten und begleiten, haben sie zahlreiche meiner Männer verwundet oder sogar getötet. Außerdem kann ihr Kartenmaterial nicht so gut wie unseres sein. Sie haben daher wahrscheinlich keine Ahnung von den Geländeverhältnissen zwischen hier und Grüntal. Die meinen sicher, das Gelände bliebe immer gleich. Also haben die auch keinerlei Grund anzunehmen, ich könnte in dieser Senke über viertausend Kavalleristen versteckt halten.
Windshares Lächeln erinnerte an ein hungriges Raubtier, und er schaute zu, wie der Feind sich immer weiter näherte.
Es würde schwierig werden, die Männer über die Kuppe zu führen. Nicht nur, dass sie den Hang meistern mussten: Das für die Pferde geeignete Gelände war zudem recht schmal. Erst oben auf der eigentlichen Kuppe wurde das wieder anders. Den Hang hinunter verbreiterte sich dann das, was schon bald ein Schlachtfeld werden sollte, in beide Richtungen. Nun gut, kein Soldat fände es gut, einen Ansturm bergauf führen zu müssen. Dafür gab es viele Gründe. In diesem besonderen Fall sprach eindeutig dagegen, dass die Reiter alle so dicht gepackt sein würden wie Äpfel in einem Obstkorb. Sie wären gezwungen, bis sie die Kuppe erreicht hätten, eine deutlich engere Formation einzunehmen, als Windshare lieb sein konnte. Andererseits war da ja diese Sache mit den Bajonetten. Selbst wenn die Charisianer ihre Musketen geladen hätten, würden sie immer noch die Bajonette abnehmen müssen, bevor sie ihrerseits das Feuer eröffnen könnten. Dagegen würden seine, Windshares, Reiter von der Kuppe den Hang hinunter Geschwindigkeit aufbauen und auch aufrechterhalten können. Die Kunst bestünde einfach darin, den richtigen Zeitpunkt zu wählen, um über die Kuppe zu setzen. Windshare wusste das. Einerseits bräuchten seine Männer ausreichend Zeit, um den Anstieg auf die Kuppe zu bewältigen und auch, um beim Sturm den Hang hinunter und auf den Gegner zu genügend Geschwindigkeit zu bekommen. Andererseits durfte den Charisianer nicht zu viel Zeit gelassen werden zu reagieren.
Trotzdem, dachte er und betrachtete erneut die Musketen, die die feindlichen Soldaten über der Schulter trugen, das Überraschungsmoment wird wohl reichen, um sie davon abzuhalten, sofort zu reagieren.
Merlin riss den Blick bewusst von Clareyk los. Er drehte sich sogar im Sattel um, um die Kolonne hinter ihnen zu betrachten. Gerade kam die erste Batterie der Zwölfpfünder zwischen den Baumreihen heraus. Merlin wollte unbedingt den Eindruck erwecken, er würde nicht über den Brigadier nachdenken. Wahrscheinlicher aber war, dass er sich unnötig Sorgen machte und sich einfach zu sehr beobachtet fühlte.
In Wirklichkeit betrachtete er auch gar nicht die Marschkolonne. Er wartete ab, beobachtete und lauschte, was ihm seine SNARCs meldeten.
»Jetzt!«, fauchte Windshare, und Major Galvahn stemmte sich in seine Steigbügel und wedelte heftig mit der roten Signalflagge.
Merlin gab sich redlich Mühe, nur ja nicht hinüber zu Clareyk zu schauen. Der Brigadier hingegen behielt ihn - obschon um Unauffälligkeit bemüht - sehr aufmerksam im Auge. Deswegen sah der Marine auch, wie der Leibgardist des Kaisers den Helm abnahm, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen.
»Ich denke jetzt, Bryahn«, sagte er klar und deutlich.
Major Lahftyn blickte ihn kurz an, dann wanderte sein Blick zu dem Abhang hinüber, der sich vor ihnen erstreckte. Ganz offenkundig hatte der Major nicht den blassesten Schimmer, was Clareyk dazu bewogen haben mochte, ausgerechnet in diesem Moment den erwarteten Befehl zu erteilen. Dennoch hatte Lahftyn die ganze Zeit über nur auf diesen einen Befehl gewartet.
So zögerte er weniger als einen Herzschlag lang, dann nickte er dem Hornisten zu, der neben ihm ritt.
»Blasen Sie das Signal, Aufstellung im Karree zu nehmen, Corporal!«, sagte er.
Windshares Reiterschar ritt aus der Senke hinauf den Abhang empor. Zuerst gemächlich, doch schon bald gingen die Reiter in Trab über. Ihre Bewegungen verrieten Jahre der Erfahrung und ausgezeichnete Ausbildung - Windshare hatte sie zahlreiche Trainingsstunden absolvieren lassen, nachdem er das Kommando über Gahrvais Kavallerie übernommen hatte.
In
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