Caylebs Plan - 6
gewesen, warum Sharleyan ihren Onkel ausgewählt hatte, sie nach Tellesberg zu begleiten. Trotz des Gesprächs, das Sharleyan mit Erzbischof Maikel geführt hatte, bereitete ihr die Entfremdung zwischen ihnen deutlich mehr Schmerz, als sie jemals hätte in Worte fassen können. Sharleyan mühte sich nach Kräften, wenigstens ihre familiäre Beziehung aufrechtzuerhalten. Denn es war ganz offenkundig, dass ihre politische Beziehung weitestgehend zerrüttet war. Sie wusste, dass ihr Onkel sie immer noch liebte. Zumindest wenn sie zusammen dinierten, was immerhin zweimal in jedem Fünftag geschah, taten sie beide so, als existiere Politik einfach nicht.
Aus diesem Grunde hatte seine Frage Sharleyan unvorbereitet getroffen. Das Überraschungsmoment erklärte, warum sie zornig und bestürzt reagierte, Gefühle, gegen die sie nun anzukämpfen hatte.
»Was für eine Idee, Onkel Byrtrym?«
Sie hatte sich nach Kräften bemüht, sich ihre Gefühle nicht anmerken zu lassen. Das war deutlich schwieriger bei jemandem, der ihr schon immer nahe gestanden hatte. Daher musste sie nun beobachten, wie sein Mund einen kurzen Moment erschreckend schmallippig wurde. Dann lehnte er sich in seinem Sessel zurück und stützte die Ellenbogen auf die Armlehnen.
»Eigentlich, Sharley«, begann er und nannte sie zum ersten Mal seit langer Zeit wieder bei ihrem Kosenamen, »wollte ich ja nicht über deine ... nun, politischen Entscheidungen sprechen. Oder zumindest nicht über deren politische Aspekte.« Er lächelte; es war ein schmales Lächeln, und doch lag darin zumindest eine Spur Zuneigung. »Ich meinte diesen Ausflug, den du geplant hast.«
»Ach so. Du meinst den nach Sankt Agtha?«
»Genau.« Er schüttelte den Kopf. »Das gefällt mir gar nicht, Sharley. Ich bedauere mittlerweile sogar, dass ich dieses Kloster überhaupt jemals erwähnt habe. Es kann auf der Reise dorthin einfach viel zu viel schiefgehen!«
»Ich glaube, gemeinsam mit Colonel Ropewalk werden Wyllys und Edwyrd durchaus in der Lage sein, zu verhindern, dass etwas schiefgehen könnte, Onkel Byrtrym.«
»Ich weiß, dass du so denkst. Und um ehrlich zu sein, hoffe ich wirklich, dass du Recht hast und ich Unrecht. Aber ich verstehe die Gefühle derjenigen, die nicht miterleben wollen, wie dieses Schisma immer weiter blüht und gedeiht, ein wenig besser als du.«
Wieder schüttelte er den Kopf, als er sah, wie angespannt seine Nichte mit einem Mal wirkte.
»Ich will doch gar nicht schon wieder mit dieser leidigen Geschichte anfangen, Sharley, versprochen!« Er brachte ein schiefes Grinsen zustande, und die junge Kaiserin entspannte sich ... ein wenig. »Ich will doch nur sagen, dass die Emotionen auf beiden Seiten hochschlagen. Jetzt, wo noch das Interdikt und die Exkommunikation dazugekommen sind, werden sich diejenigen, die dir Übles wollen, erst recht zu Verzweiflungstaten bemüßigt fühlen. Cayleb mag ja bei seiner Armee in Sicherheit sein, aber du bist es eben nicht! Ich möchte einfach nicht, dass du unnötige Risiken eingehst.«
»Ich danke dir«, erwiderte sie. Ihr Blick wirkte jetzt sehr viel herzlicher angesichts seiner Besorgnis um ihr Wohlergehen - trotz aller Differenzen, die zwischen ihnen herrschen mochten. »Aber ich werde mich nicht von den Ängsten meiner eigenen Untertanen zur Gefangenen im Palast machen lassen! Ich könnte mir das auch gar nicht leisten. Schließlich bin ich für allzu viele von ihnen immer noch ›diese fremde Frau‹. Dieser Ausflug, wie du es nennst, soll ein Zeichen dafür sein, dass ich den Charisianern genug vertraue, um in ihrem Land auf Reisen zu gehen. Außerdem setze ich so ein wichtiges Signal. Denn den Charisianern ist bewusst, dass die Heilige Agtha in Chisholm geboren ist, sich aber dafür entschieden hat, einen Großteil ihres Lebens hier in Charis zu verbringen! Und die Lebensgeschichte dieser Heiligen fasziniert mich. Ich möchte wirklich das Kloster sehen, in dem sie all diese Wunderheilungen vollbracht hat.«
Und ich möchte diese Reise machen, weil ich erschöpft bin. Das sprach sie nicht laut aus. Rayjhis, Maikel und ich haben, was die Konstituierung des neuen Kaiserlichen Parlaments angeht, wirklich gute Arbeit geleistet. Es ist kaum zu glauben, wie gut Maikel Erzbischof Pawals Erzdiözese in die neue Hierarchie einzubinden gelungen ist — gut, ein Teil der Lorbeeren verdient Brynair, der sehr aktiv dabei mitgeholfen hat. Aber leicht war das für keinen von uns. Und Leute wie dein guter Freund Kairee
Weitere Kostenlose Bücher