Caylebs Plan - 6
konnte Merlin aus der Ferne eh nicht selbst beeinflussen. Er hatte sich darauf verlassen müssen, dass dort Menschen handelten, die ihr Handwerk beherrschten.
Jedes einzelne Wort davon stimmte. Das wusste Merlin auch ... und trotzdem fühlte er sich keinen Deut besser.
Er sprang auf, beobachtete immer noch mit geschlossenen Lidern die Daten der SNARCs, die routinemäßig Sharleyans Aufenthaltsort durchgaben - und ihm jetzt auch die Bewegungen der Bewaffneten meldeten, die sich stetig auf das Kloster Sankt Agtha zubewegten.
Merlin wusste nicht, wer diese Männer waren. Aber er wusste genau, dass es nicht Sharleyans Leibgarde war und auch niemand sonst, der mit ihrer Sicherheit betraut gewesen wäre. Damit gab es nur noch eine einzige Möglichkeit, warum Bewaffneten sich dem Kloster näherten. Offensichtlich war Merlin mehr entgangen, als ihm bislang bewusst gewesen war. Weder er noch Owl hatten auch nur einen einzigen dieser Männer, die die SNARCs nun beobachteten, als potenzielle Bedrohung gekennzeichnet; sie befanden sich nicht in der Datenbank, die Merlin im Laufe der Zeit zusammengestellt hatte. Doch sie mussten in Kontakt mit jemandem stehen, der sehr wohl in dieser Datenbank verzeichnet war, sonst hätten sie nicht so genau über Sharleyans Zeitplan Bescheid gewusst - frühzeitig genug, um sich in der Art und Weise vorzubereiten, wie das zweifellos geschehen war.
All diese Gedanken durchzuckten Merlins MolyCirc-Hirn; ein Schaudern durchfuhr ihn. Interessant, diese Spekulationen, aber sie würden ihm nichts bringen! Und Sharleyan auch nicht!
Völlig reglos stand er da, dachte über Alternativen und mögliche Konsequenzen nach. In Corisande war es etwa vier Uhr morgens, also war es in Charis jetzt etwa sechs Uhr abends. Nimue Alban alias Merlin Athrawes war beinahe siebentausend Meilen weit von Tellesberg entfernt - Luftlinie. Es war völlig unmöglich, Sharleyan oder einen ihrer Gardisten zu warnen. Aber es gab immerhin eine Möglichkeit, nur ...
Es ist genau wie damals bei diesen Kindern und den Kraken, dachte er. Nur dass es diesmal noch viel schlimmer ist! Ich kann das nicht tun! Ich darf das nicht riskieren! Damit könnte ich alles zunichte machen, was wir bislang erreicht haben. Ich habe einfach nicht das Recht, ein solches Risiko einzugehen, so sehr ich das auch möchte!
Er wusste, dass er Recht hatte. Er wusste, dass er ein solches Risiko einfach nicht eingehen durfte. Er wusste ...
»Aufklärer-Schwebeboot starten!«, fauchte er Owl an.
.XII.
Kloster Sankt Agtha, Grafschaft Crest Hollow,
Königreich Charis
»Ich glaube, die Äbtissin hat erwartet, ich würde wegen dieser Regel über Bedienstete Einwände erheben«, bemerkte Sharleyan. Pater Carlsyn, Captain Gairaht und Sergeant Seahamper begleiteten sie gerade vom Refektorium zum Gästehaus des Klosters Sankt Agtha.
»Wenn Ihr mir verzeiht, das so zu sagen, Eure Majestät, Ihr hättet Einwände erheben sollen«, erwiderte Gairaht ein wenig verstimmt. »Das ist schlichtweg nicht angemessen!«
»Ach, machen Sie doch nicht so ein Theater, Wyllys!«, schalt Sharleyan ihn freundlich. »Ich wusste doch über die im Kloster geltenden Regeln für Einkehrtage längst Bescheid, bevor ich die Äbtissin gebeten hatte, sie besuchen zu dürfen. Und meine kaiserliche Würde ist nun wahrlich nicht so empfindlich, dass sie immer und überall betont werden müsste - schon gar nicht während der Einkehrtage. Abgesehen davon ist es unter den gegebenen Umständen gewiss nicht schlimm, wenn man im Ruf steht, sehr fromm zu sein, oder?«
»Und Majestät erwarten von mir zu glauben, Majestät hätten die Regeln dieses Klosters aufgrund kalter Berechnung akzeptiert, ja?«
»Nein. Aber wenn sich herausstellt, dass das, was ich für das Richtige halte, genau das ist, was ich auch täte, wenn ich nur aufgrund kalter Berechnung handelte, dann wird wohl etwas Richtiges dran sein!«, gab Sharleyan gelassen zurück.
»Es beruhigt mich sehr zu hören, dass Ihr Euch Eurer Prioritäten so bewusst seid, Eure Majestät«, bemerkte Pater Carlsyn trocken, und Sharleyan lachte leise.
»Es freut mich, wenn Sie das beruhigt, Pater. Andererseits konnte ich ja in Hörweite meines Beichtvaters wohl kaum eine andere Antwort geben, oder?«
»Unaufrichtigkeiten wie diese kämen natürlich niemals jemandem in den Sinn, der den Vorteil hat, schon seit so langer Zeit meinen geistigen Beistand zu haben, Eure Majestät«, erwiderte er.
»Oh ja, ich vergaß! Natürlich nicht!«,
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