Caylebs Plan - 6
waren da auch nicht gerade hilfreich, Onkel Byrtrym! Ich brauche diese Reise einfach!
»Signalwirkung hin oder her«, erwiderte er, »aber das ändert nichts an dem, was ich gerade gesagt habe! Ich wünschte, du würdest wenigstens bei deiner persönlichen Leibgarde ein paar Leute mehr aus der Heimat mitnehmen!«
»Das, Onkel Byrtrym, geht schon mal gar nicht!« Ihr Tonfall war wieder etwas harscher geworden, und sie verzog gequält das Gesicht, als sie es bemerkte. »Das Letzte, was ich mir hier leisten kann«, fuhr sie fort und mühte sich nach Kräften, nicht mehr ganz so ungeduldig zu klingen, »ist es, den Eindruck zu erwecken, ich würde Chisholmianern mehr trauen als Charisianern. Das ist doch genau der Grund dafür, dass wir Caylebs und meine Leibgardisten zu einer Einheit zusammengefasst haben.«
»Aber ...«
»Onkel Byrtrym«, unterbrach sie ihn sanft, »ich weiß deine Besorgnis wirklich sehr zu schätzen. Glaub mir: Zu wissen, dass du mich immer noch liebst, unseren derzeitigen politischen
Meinungsverschiedenheiten zum Trotz, ist wichtiger für mich, als ich jemals in Worte fassen könnte! Aber während meiner Kindheit hast du Mahrak dabei geholfen, mir etwas sehr Wichtiges beizubringen: Wenn eine Entscheidung erst einmal gefallen ist, gibt es nichts Schlimmeres, als diese Entscheidung im Nachhinein noch zu ändern. Und wir wollen doch ehrlich zueinander sein, ja? Die Gründe für meine Entscheidung können für dich unmöglich akzeptabel sein. Das weiß ich, und ich bedauere es auch. Aber es ist nun einmal eine Tatsache, die wir beide hinnehmen müssen. Folglich betrachtest du von nun an all meine Entscheidungen aus einem völlig anderen Blickwinkel als ich. Dass wir unterschiedlicher Meinung sind, ist daher normal. Bitte verzeih mir, wenn ich das so sage: Wir müssen es beide einfach als gegeben hinnehmen! Du bist um mich und vor allem auch um meine Sicherheit besorgt, weil du mich liebst, aber ich darf nicht zulassen, dass deine Besorgnis mich umstimmt. Aus diesem Grund hielte ich es auch für besser, wenn wir über etwas anderes sprächen.«
Eine oder zwei Sekunden lang blickte er sie über den Tisch hinweg nur schweigend an, dann seufzte er. »Also gut, Sharley«, sagte er. »Wahrscheinlich hast du Recht. Und wo du gerade sagst, wir sollten über etwas anderes sprechen«, fuhr er in einem entschieden fröhlicherem Tonfall fort, »was hältst du denn von meinem neuen Braunen?«
.XI.
Kaiser Caylebs Feldlager-Hauptquartier,
Herzogtum Manchyr, Corisande-Bund
Mit geschlossenen Augen saß Merlin Athrawes im dunklen Zelt und lehnte sich in einem Klappstuhl zurück. Eigentlich hätte er sich hinlegen sollen; seine ›Atmung‹ hätte auf ›langsam und gleichmäßig‹ programmiert sein sollen. Es sollte für jeden, der zufälligerweise vorbeikäme, ganz danach aussehen, als schliefe er. Dass hier jemand zufällig vorbeikäme, wäre allerdings noch unwahrscheinlicher als an Bord eines Schiffes. Abgesehen davon hatte Merlin festgestellt, dass er im Sitzen oder Stehen tatsächlich besser denken konnte. Diese Vorliebe hatte zwar eindeutig einen rein psychologischen Ursprung, was aber nichts an der Tatsache an sich änderte.
Bedauerlicherweise änderte auch die jeweils gewählte Körperhaltung nichts daran, dass der Tag auf Safehold entschieden zu wenige Stunden aufwies. Merlin hatte es Cayleb schon erklärt: Es gab entschieden zu viel, das er im Auge behalten musste. Ursprünglich hatte das kein allzu großes Problem dargestellt. Seit sich die Auswirkungen des charisianischen Widerstandes gegen die ›Vierer-Gruppe‹ indes über den ganzen Planeten ausbreiteten, hatte sich diese Aufgabe zu einem regelrechten Albtraum ausgewachsen. Selbst Owls tatkräftige Mithilfe änderte daran nichts. Dass Merlin gezwungen gewesen war, sich so sehr auf Corisande zu konzentrieren, seit Cayleb aktiv gegen Hektor vorging, hatte die Situation nur noch verschlimmert. Wenn Merlin irgendetwas entginge, könnten die Konsequenzen äußerst unschön werden. Ganz zu schweigen davon, wie frustrierend es wäre.
So war Merlin beispielsweise immer noch immens ... wütend über sich, weil er nicht rechtzeitig von Hektors Plan erfahren hatte, seine Tochter und den jüngeren seiner beiden Söhne außer Landes zu schaffen. Dass tatsächlich ein charisianisches Schiff, der Schoner Dawn Star, das Schiff, an dessen Bord sich die beiden - und dazu noch Graf Coris - befanden, aufgebracht und geentert hatte, steigerte diese Wut nur
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