Caylebs Plan - 6
dass es nicht sinnvoll war, ihre Positionen durch Schüsse zu verraten. Stattdessen demonstrierten sie ihren Feinden, wie tödlich-effektiv ein Bajonett sein konnte. Die Gardisten waren mit den gleichen Waffen ausgerüstet wie die Aufklärer-Schützen. Wie diese hatten sie die vierzehn Zoll langen Bajonette aufgepflanzt und nutzten den Vorteil, den ihnen die Länge ihrer Waffe verschaffte, gnadenlos aus.
Tempelgetreue brüllten getroffen auf, als plötzlich vor oder hinter ihnen Gardisten auftauchten und sie mit messerscharfen Klingen aus gehärtetem Stahl durchbohrten. Im Gegensatz zu den überraschten Gardisten im Feldlager gehörten die Wachposten zu fest eingeteilten Teams. Sie waren miteinander vertraut und in einer Art und Weise aufeinander eingespielt, die nur langes Training und Erfahrung bieten konnten. So scheiterte der erste Ansturm auf das Haupt- und das Westtor.
Beim Angriff auf das Nordtor sah es anders aus: Dank des dichten Waldlandes waren die Tempelgetreuen, die man für diesen Angriff vorgesehen hatte, schon vor Einbruch der Nacht unbemerkt sehr nah zum Kloster aufgerückt. Sie hatten eine deutlich genauere Vorstellung davon, wo ihre Feinde sich befanden. Ihr Angriff besaß enorme Stoßkraft. Denn sie waren bereit, Verluste in den eigenen Reihen hinzunehmen, wenn sie damit die Gardisten rasch ausschalten könnten.
Es gelang ihnen ... fast.
Alle acht Wachposten vor der Nordwand fanden den Tod. Doch zusammen mit ihnen starben auch elf Tempelgetreue. Bevor der befehlshabende Sergeant der Garde jedoch zu Boden ging, warf er den Schlüssel des Tores über die Mauer. Der Ranghöchste der überlebenden Angreifer schrie voller Frustration auf, als er bemerkte, dass das massive Eisentor fest verschlossen war. Er verschwendete keine Zeit auf den Versuch, es mit Gewalt einzureißen. Stattdessen ließen er und seine Männer von dem Tor ab und liefen auf das Westtor zu.
Die Zehn-Mann-Reserve, die Captain Gairaht unmittelbar vor dem Kapitelsaal des Klosters postiert hatte, reagierte fast augenblicklich auf Seahampers gebrüllten Befehl. Die Gardisten wussten ebenso gut wie der Sergeant, wie sie auf einen Überraschungsangriff zu reagieren hatten. Ohne weiteres Nachdenken umstellten sie sofort das Gästehaus. Es war ihre Aufgabe, die Sicherheit der Kaiserin zu gewährleisten; sie durften sich nicht davon ablenken lassen und etwa der mutmaßlichen Bedrohung entgegenlaufen, die sich durchaus als Ablenkungsmanöver herausstellen mochte. Wenn das Zentrum ihrer Stellung erst einmal gesichert war, konnten sie sich immer noch darum kümmern, die Außenbereiche zu verstärken.
Die acht Gardisten vor dem Westtor töteten achtzehn Tempelgetreue. Doch dabei verloren sie fünf ihrer eigenen Leute. Der Sergeant, der hier das Kommando innehatte, und einer der beiden Soldaten, die ihm noch verblieben, waren verwundet. Es gelang ihnen aber, sich hinter das Tor zurückzuziehen und es zu verriegeln, bevor die wenigen Angreifer, die dieses Gefecht überlebt hatten, sich für einen zweiten Versuch umorganisieren konnten. Die drei Gardisten ließen sich zurückfallen, um sich der Reserve rings um das Gästehaus anzuschließen. Da krachten vor dem Haupttor auch schon die ersten Schüsse.
Mit zunehmender Ungeduld hatte Lieutenant Hahskyn auf Captain Gairaht gewartet. Er fragte sich schon, warum Gairaht sich verspätete, noch bevor Tyrnyr das Haupttor erreichte und ihm Seahampers Nachricht überbrachte. Der Lieutenant vermutete allerdings ebenso wenig wie Seahamper, sein kommandierender Offizier könne bereits tot sein.
Er reagierte rasch. Was der erste Gewehrschuss bedeutete, war ihm schon klar, noch bevor er Seahampers Warnruf gehört hatte, und er und seine Männer wussten ganz genau, was sie zu tun hatten.
So wie die erste Aufgabe der Reserve darin bestand, sich um die Kaiserin zu gruppieren und dafür zu sorgen, dass sie in Sicherheit war, bestand die Aufgabe der Trupps, die für den Verteidigungsgürtel verantwortlich waren, eben darin, die Stellung zu halten, zumindest so lange, bis die Lage geklärt wäre. Das brauchte Lieutenant Hahskyn den zehn Männern seiner Abordnung nicht erst zu erklären.
Er brauchte ihnen auch nicht zu sagen, wie sie dabei vorgehen sollten. Denn Gairaht und er waren unmittelbar nach ihrer Ankunft in Sankt Agtha gemeinsam das gesamte Gelände rings um das Kloster abgegangen. Sie hatten sich Notfallpläne zurechtgelegt und ihre Männer genauestens eingewiesen, was bei jeder dieser
Weitere Kostenlose Bücher