Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Caylebs Plan - 6

Titel: Caylebs Plan - 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
Vom Netzwerk:
geborstenen Fenster. Er blieb so weit in Deckung wie möglich und spähte in den Regen hinaus, während ihm das Blut die aufgeschlitzte Wange hinabströmte. Seine Stimme klang sehr angespannt. »Ich habe verdammt noch mal keine Ahnung - tut mir Leid, das so unverblümt in Eurer Gegenwart zu sagen«, gestand er. »Ich weiß nur, dass nicht mehr gekämpft wird. Niemand versucht mehr, durch das Fenster da oder diese Tür da einzudringen«, mit dem Kinn deutete er auf die Eingangstür des Gemachs. »Also sind wir deutlich besser dran als zuvor. Wahrscheinlich ...«, er brachte ein angestrengtes Lächeln zustande, » ... erlebe ich hier gerade mein erstes Wunder.«
    Es überraschte Sharleyan selbst, dass sie laut lachen musste. Vielleicht zitterte ihre Stimme, vielleicht schwang ein Hauch von Hysterie darin mit. Doch es war ein Lachen, es befreite. Sie barg ihr Gesicht in den Händen und presste sich die Fingerspitzen gegen die Schläfen.
    Sie spürte, wie klebrig ihre Hände von all dem Blut waren. Einiges davon stammte sogar von ihr selbst; es rann ihr aus kleinen Schnittwunden am Kopf und ihrer linken Schläfe. Umherfliegende Splitter des geborstenen Fensterladens hatten sie getroffen, auch wenn die Armbrustbolzen sie knapp verfehlt hatten. Weiteres Blut war ihr auf den langen Rock und den charisianischen Kasack gespritzt, den sie als Jacke übergeworfen hatte. Ihr Gesicht war vom Pulverrauch geschwärzt und verschmiert. Ihre rechte Schulter pulsierte schmerzhaft, schlimm geprellt wahrscheinlich. Wäre Sharleyan nicht in der Lage gewesen, diesen Arm überhaupt noch zu bewegen - auch wenn das ein sehr schmerzhaftes Unterfangen war -, wäre sie fest davon ausgegangen, die Schulter sei gebrochen.
    Der Regen, der draußen herniederprasselte, brachte saubere Frische. Trotzdem war der Geruch von Schießpulver, Blut und Tod fast überwältigend. Was der Wind an Regennässe durch das offene Fenster hereintrieb, verdünnte das Blut, das auf dem Boden des Schlafgemachs allmählich gerann. Doch immer noch troff frisches Blut an der Spitze von Seahampers Bajonett herab wie dicke, perlenförmige Tränen. Das Entsetzen und der Schock über das hier Erlebte hüllte Sharleyan ein wie eine sonderbare, muffige Decke. Alles hier Geschehene, die ganze Welt wirkte unwirklich. Sharleyans Verstand arbeitete mit beinahe widernatürlicher Klarheit, und doch erschienen ihr selbst diese Gedanken sonderbar weit entfernt. Trauer, die Sharleyan nur allzu bald das Herz zerreißen würde, vermochte sich aber noch keinen Weg zu bahnen.
    Das kommt noch, sagte Sharleyan sich selbst düster. Das kommt noch ... wenn du dich umblickst und begreifst, dass du keines dieser Gesichter jemals Wiedersehen wirst.
    Verzweifelt betete Sharleyan darum, dass noch wenigstens ein weiterer ihrer Gardisten außer Seahamper am Leben wäre. Schuldgefühle schnürten ihr die Kehle zu, als sie begriff, wie unaussprechlich dankbar sie dafür war, dass, wenn nur ein Einziger hatte überleben dürfen, es dieser Sergeant hatte sein dürfen. Aber ...
    »Eure Majestät«, sagte eine tiefe Stimme aus der Unergründlichkeit des Gewitters heraus, und Sharleyan ließ ruckartig die Hände sinken, als sie diese Stimme erkannte.
    »Bei Langhorne!«, zischte Seahamper, als auch er die Stimme wiedererkannte, die hier zu vernehmen schlichtweg unmöglich war. Reflexartig trat der Gardist zwischen seine Kaiserin und das Fenster, und wieder hob er schützend das blutige Bajonett.
    »Eure Majestät«, wiederholte die Stimme, dann fuhr sie fort: »Ich weiß, es wird ... ein wenig schwierig, es zu erklären«, und trotz all der Schrecken dieser entsetzlichen Nacht erkannte Sharleyan eine Spur trockenen Humors in den Worten, »aber Ihr seid jetzt in Sicherheit. Ich bedauere«, jetzt war der Tonfall wieder dunkel und düster, »dass ich nicht früher habe kommen können.«
    » Ca-Captain Athrawes?« Selbst unter diesen Umständen verzieh sich Sharleyan nicht, dass sie das Zittern ihrer Stimme nicht vollständig unterdrücken konnte. Sei doch nicht albern!, heischte eine Stimme in ihrem Hinterkopf sie an. In einer solchen Nacht würde vermutlich selbst einer der Erzengel erschüttert klingen!
    »Jawohl, Eure Majestät«, erwiderte Merlin und trat nahe genug an das Fenster heran, dass sie beide ihn sehen konnten. Seahamper hob sein Bajonett noch etwas höher, kampfbereit. Doch Sharleyan lehnte sich über seine Schulter und blickte an ihm vorbei. Mit seinen leistungsstarken Optiken studierte Merlin

Weitere Kostenlose Bücher