Caylebs Plan - 6
der Erinnerung ab, als ein Katana aus Panzerstahl, so schnell, dass Daivys nicht einmal sah, wie die Klinge sich bewegte, ihm den Kopf von den Schultern trennte.
Warum finden Mordversuche eigentlich immer bei Gewitter statt?
Diese Frage ging Merlin Athrawes durch den Kopf, während Daivys' Schädel noch durch die Luft flog und der Regen mit ungebrochener Gewalt wieder einsetzte. Der Gedanke war nicht mehr als eine Randnotiz. Denn es war schiere Verzweiflung, die seine ganze Konzentration wie mit einem Schraubstock umfasst hielt, als er nun von hinten gegen die Tempelgetreuen anstürmte.
Eine Stimme in seinem Hinterkopf brüllte vor Zorn und schrie nutzlosen Protest in die Welt hinaus, als er die Leichen der kaiserlichen Gardisten sah, die zwischen den gefallenen Angreifern verstreut lagen. Jeden Einzelnen von ihnen hatte er gekannt. Er hatte dabei geholfen, sie auszubilden; er hatte sich an der Auswahl für ihre jeweiligen Aufgabengebiete beteiligt ... und mit Hilfe seiner SNARC-Fernsonden hatte er zugesehen, wie sie in den Tod gegangen waren, während er, Merlin, mit mehr als Mach fünf über den Himmel von Safehold gejagt war.
Allein schon eine solche Geschwindigkeit vorzulegen war ein Risiko gewesen, das er eigentlich nicht rechtfertigen konnte - und das wusste Merlin auch. Trotz der Tarnsysteme des Schwebebootes erzeugte eine derartige Geschwindigkeit so viel Reibungshitze, dass ein Orbital-Scanner - wie es sie vielleicht im System für kinetische Bombardierung gab, das Langhorne über Safehold zurückgelassen hatte - ihn trotzdem hätte entdecken können. Doch selbst noch mit dieser halsbrecherischen Geschwindigkeit hatte Merlin anderthalb Stunden gebraucht, um von Corisande hierher zu kommen.
Niemand auf ganz Safehold hatte jemals das unvorstellbare Donnern gehört, das ein Überschallflugzeug bei niedrigen Flughöhen erzeugt. Heute geschah es zum ersten Mal ... und nur sehr wenige von denen, die es gehört haben, werden diese Erfahrung überleben!, dachte Merlin wütend. Ohne den Mut und die Entschlossenheit all der Männer, die bei der Verteidigung Sharleyans gefallen waren, wäre Merlin trotz der Geschwindigkeit seines Fluggeräts zu spät gekommen. Selbst jetzt mochte das immer noch der Fall sein, und in seinen Saphiraugen war keinerlei Gnade zu finden, als er sich mit den Schwertern durch die Reihen der Tempelgetreuen schnitt.
Den meisten von ihnen blieb nicht einmal genug Zeit zu begreifen, dass ein neuer Kämpfer auf dem Schlachtfeld erschienen war. Merlins Nervenimpulse wurden faseroptisch übertragen, nicht mit Hilfe von biochemischen Neurotransmittern. Wenn er die Leistungsregler deaktivierte, die er bislang genutzt hatte, um seine übermenschlichen Fähigkeiten nicht allzu offenkundig werden zu lassen, dann betrug seine Reaktionszeit nur ein Hundertstel der eines Menschen aus Fleisch und Blut. Seine unvorstellbar scharfen Schwerter aus Panzerstahl wurden von ›Muskeln‹ geschwungen, die zehnmal stärker waren als die eines jeden Sterblichen.
Merlin schien einfach durch seine Gegner hindurchzuwaten. Es wirkte fast, als bewege er sich langsam und gemächlich, doch zu beiden Seiten stürzten die Angreifer zu Boden. Die ersten Männer, denen er begegnete, starben entschieden zu rasch, um überhaupt zu begreifen, dass an diesem Mann, der sie tötete, etwas Bemerkenswertes war. Doch als im Licht aufzuckender Blitze seine Bewegungen deutlich wurden, in stroboskopartigem Gleißen seine Schwerter aufblitzten und die umhergeschleuderten Blutstropfen der Gefallenen reglos in der Luft zu stehen schienen, bemerkten die Gefährten der Erschlagenen, wenngleich langsam, dass sie es hier mit etwas zu tun hatten, das sie sich bislang nicht einmal hätten vorstellen können.
»Ein Dämon!«, heulte eine Stimme. »Ein Dämon!«
Merlin achtete nicht darauf. Zwischen ihm und dem Gästehaus befanden sich noch zwanzig Tempelgetreue. Drei von ihnen lebten noch lange genug, um eine Flucht wenigstens zu versuchen.
Edwyrd Seahamper hatte keine Ahnung, was sich vor dem Gästehaus abspielte. Er wusste nur, dass der anscheinend endlose Strom von Angreifern, die ihn immer weiter in die Enge trieben, plötzlich verebbte. Doch immer noch hörte er Rufe und Schreie, die das Gewitter übertönten, und hinter ihm krachte erneut eine Pistole.
Er wandte sich um und lief den kurzen Flur zur Tür des Schlafgemachs hinunter.
»Ich bin's, Eure Majestät!«, rief er und stieß mit der Schulter auch schon die Tür auf. Im
Weitere Kostenlose Bücher