Caylebs Plan - 6
Gespräch zu führen oder in eine Glaubenskrise zu geraten. Auch Ehdwyrd würde nicht mehr über mich wachen, jederzeit bereit, Euch mit dem Bajonett zu durchbohren, sollte er der Ansicht sein, Ihr wolltet mir schaden. Dass er am Leben ist, ist mir unglaublich wichtig. Unter diesen Umständen ist es wohl das Mindeste, dass ich mir anhöre, was Ihr zu sagen habt.«
Unruhig rührte sich Seahamper. Doch er schwieg und biss die Zähne aufeinander.
»Ich danke Euch, Eure Majestät«, erwiderte Merlin völlig aufrichtig. Doch dann schüttelte er den Kopf und schnaubte kurz auf. »Bedauerlicherweise bleibt mir nicht die Zeit, Euch die ganze Geschichte zu erzählen. In Corisande ist es bereits helllichter Tag, und niemand - einschließlich Cayleb - weiß, wo ich bin. Ich muss so rasch wie möglich zurück.«
»Ihr scheint ein noch komplizierteres Leben zu führen, als mir bewusst war«, bemerkte Sharleyan, und Merlin lachte leise.
»Eure Majestät, Ihr habt keine Ahnung!«, sagte er. »Aber ich denke, genau das muss sich ändern. Dass Ihr keine Ahnung habt, meine ich. Vorerst bitte ich Euch hinzunehmen - zumindest versuchsweise -, dass ich weder ein Engel noch ein Dämon bin. Dass die Dinge, die ich zu tun vermag, kein Gesetz der Natur oder des Glaubens verletzen, wie auch immer die Inquisition darüber denken mag. Dass ich es gut mit Euch und Cayleb meine und dass ich alles in meiner Macht Stehende tun werde, Euch zu dienen und zu beschützen. Dass es andere gibt, gute und gottesfürchtige Menschen, die um mich und meine Fähigkeiten wissen. Und ...«, er blickte ihr geradewegs in die Augen, » ... dass ich eher sterben werde als zuzulassen, dass Leute wie Zhaspahr Clyntahn weiterhin Gottes Namen als Entschuldigung missbrauchen, angesichts ihres eigenen Machthungers und ihres fehlgeleiteten Glaubens andere Menschen zu foltern und zu töten.«
»Ihr verlangt da aber eine ganze Menge, was ich hinnehmen soll, wenn auch nur ›versuchsweise‹«, entgegnete Sharleyan.
»Das weiß ich wohl. Aber versucht es, solange bis Ihr zurück in Tellesberg seid, dann beweise ich Euch die Wahrheit! Sorgt dafür, dass in der ersten Nacht zurück im Palast kein Unbefugter Zugang zum Balkon vor Euren Gemächern hat, niemand außer Euch ihn einsehen kann. Dann werde ich alles, was ich beweisen kann, Euch auch beweisen, Euch zumindest einen Zeugen bringen, dem Ihr wohl werdet vertrauen können.«
»Cayleb?«, fragte sie sofort mit leuchtenden Augen, und Merlin nickte.
»Dafür zu sorgen, dass er und ich gleichzeitig für mehrere Stunden Corisande verlassen, ohne dadurch gleich die ganze Armee in Aufruhr zu bringen, wird schwierig sein, versteht mich recht! Das ist einer der Gründe, warum ich Euch keine genaue Stunde für unser Eintreffen zu nennen vermag. Aber ich bin zuversichtlich, dass Cayleb, wenn ich ihm berichte, was hier in dieser Nacht geschehen ist, von sich aus verlangen wird, Euch zu sehen. Bleiben noch zwei weitere Dinge, um die ich Euch bitten möchte.«
»Als da wären?«, fragte sie, als Merlin schwieg.
»Zunächst einmal, Eure Majestät, gilt es, zwei Probleme zu lösen. Es muss für Eure Sicherheit gesorgt werden - das ist das eine. Und wir müssen etwas wegen denjenigen unternehmen, die diesen Angriff vorbereitet haben. Vor allem wegen deren Identität.«
Ich habe mich noch nicht entschieden, ob ich Euch jetzt erzählen soll, dass einer davon Euer Onkel war, dachte er.
»Wegen deren Identität?«, wiederholte Sharleyan, und Merlin nickte.
»Den eigentlichen Angriff auf dieses Kloster, so darf ich Majestät versichern, hat keiner der Attentäter überlebt«, erklärte Merlin grimmig. Dank seiner leistungsgesteigerten Optiken entging ihm nicht, wie sich Sharleyans Augen weiteten ... und dass Seahamper befriedigt nickte. »Drüben beim Feldlagerplatz liegen noch einige Verwundete. Um die ... kümmere ich mich noch, ehe ich aufbreche. Es gefällt mir ganz und gar nicht, das tun zu müssen, aber mir bleibt dieses Mal leider keine andere Wahl. Wenn auch nur ein Einziger von denen weiß, dass ich hier war, könnten die Konsequenzen katastrophal sein.
Aber vor dem Haupttor liegen noch zwei weitere Leichen. Die eine hat keinen Kopf mehr. Weit weg ist der Kopf aber nicht; Edwyrd sollte ihn mühelos finden. Es wäre meines Erachtens eine sehr gute Idee, genau das zu tun: diesen Kopf zu finden.«
»Darf ich fragen warum, Seijin Merlin?«
»Selbstverständlich, Eure Majestät. Bis vor wenigen Minuten gehörte dieser Kopf
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