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Cécile

Cécile

Titel: Cécile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Kutschen und hinter den Kutschen ein ansehnliches Trauergefolge. Gordon wäre gern ausgewichen, aber der gehabten Anwandlung sich schämend, blieb er und ließ den Zug an sich vorbeipassieren. »Es ist nicht gut, die Augen gegen derlei Dinge zu schließen, am wenigsten, wenn man eben Luftschlösser baut. Der Mensch lebt, um seine Pflicht zu tun und zu sterben. Und das zweite beständig gegenwärtig zu haben erleichtert einem das erste.«
     
    Gordon wuchs sich rasch wieder in Berlin ein und war nur verwundert, nach wie vor keinen Brief aus Liegnitz eintreffen zu sehn, auch nicht, als er die saumselige Schwester gemahnt hatte. Seine Verwunderung war aber nicht gleichbedeutend mit Verstimmung, vielmehr gestand er sich, alles in allem nie glücklichere Tage verlebt zu haben. Auch nicht in Thale. Wenn es sein konnte, sprach er täglich bei seiner Freundin vor und erneuerte, dabei die freundlichen, gleich bei seinem ersten Besuche gehabten Eindrücke. Was ihn einzig und allein störte, war das, daß er sie nie allein fand. Mitte September traf Céciles jüngere Schwester auf Besuch ein und wurde ihm als »meine Schwester Kathinka« vorgestellt. Bei diesem Vornamen blieb es. Sie war um mehrere Jahre jünger und ebenfalls sehr schön, aber ganz oberflächlich und augenscheinlich mehr nach Verhältnissen als nach Huldigungen ausblickend. Cécile wußte davon und schien erleichtert, als die Schwester wieder abreiste. Der Besuch hatte nur wenig über eine Woche gedauert und war niemandem zu rechter Befriedigung gewesen. Auch Gordon nicht. Desto größere Freude hatte dieser, als er eines Tages Rosa traf und von ihr erfuhr, daß sie verhältnismäßig häufig im St. Arnaudschen Hause vorspreche, weshalb es eigentlich verwunderlich sei, sich bis dahin noch nicht getroffen zu haben. Das müsse sich aber ändern, womit niemand einverstandener war als Gordon selbst. Und zu dieser Änderung kam es denn auch; man sah sich öfter, und erschien bei diesen Begegnungen auch noch der in der benachbarten Linkstraße wohnende Hofprediger, so steigerte sich der von Rosas Anwesenheit beinah unzertrennliche Frohsinn, und vom Harz und seinen Umgebungen schwärmend, erging man sich in Erinnerungen an Roßtrappe, »Hotel Zehnpfund« und Altenbrak. Der Oberst war selten da, so selten, daß Gordon sich entwöhnte, nach ihm zu fragen. »Er ist im Club«, hieß es ein Mal über das andre. Der Club aber, um den sich's handelte, war kein militärischer, sondern ein Haute-Finance-Club, in dem Billard, Skat und L'hombre mit beinah wissenschaftlichem Ernst gespielt wurde. Nur die Points hatten eine ganz unwissenschaftliche Höhe.
    Neben Rosa war es der alte Hofprediger, der, wenn man gemeinschaftlich heimging, über diese kleineren oder größeren Inkorrektheiten Aufklärung gab, meistens vorsichtig und zurückhaltend, aber doch immer noch deutlich genug, um Gordon einsehen zu lassen, daß er es mit seinem in seinem langen Skriptum an die Schwester im halben Übermute gebrauchten »Jeu-Oberst« richtiger, als er damals annehmen konnte, getroffen habe. Teilnahme mit Cécile war, wenn er derlei Dinge hörte, jedesmal sein erstes und ganz aufrichtiges Gefühl, aber eine nur zu begreifliche Selbstsucht sorgte gleichzeitig dafür, daß dies Gefühl nicht andauerte. St. Arnaud war nicht da, das war doch schließlich die Hauptsache, das gab den Ausschlag, und weder seine Blicke noch seine spöttischen Bemerkungen konnten das Glück ihres Beisammenseins stören.
    Ja, diese Septembertage waren voll der heitersten Anregungen, und Briefchen in Vers und Prosa, die von seiten Gordons beinah jeden Morgen an Cécile gerichtet wurden, sei's, um sie zu begrüßen oder ihr etwas Schmeichelhaftes zu sagen, steigerten begreiflicherweise das Glück dieser Tage. St. Arnaud seinerseits gewöhnte sich daran, diese Billets doux auf dem Frühstückstische liegen zu sehn, und leistete sehr bald darauf Verzicht, von solcher »Mondscheinpoesie« weitere Notiz zu nehmen. Er lachte nur und bewunderte, »wozu der Mensch alles Zeit habe«. Cécile selbst, voll Mißtrauen in ihre Rechtschreibung, antwortete nur selten, wobei sie sich zurückhaltender und ängstlicher als nötig zeigte, da Gordon bereits weit genug gediehen war, um in einer mangelhaften Orthographie, wenn solche sich wirklich offenbart haben sollte, nur den Beweis immer neuer Tugenden und Vorzüge zu finden.

 
Zwanzigstes Kapitel
     
    So waren vier Wochen vergangen, als Gordon, an einem der letzten Septembertage, eine

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