Celaenas Geschichte 02 - Throne of Glass
auf ihr Gesicht, um sich dann wieder seinen Gefährten zuzuwenden. Er sagte kein einziges Wort, sondern verständigte sich mit ihnen in Zeichensprache. Auch er also ein Schweiger.
Als sich ihre Augen begegneten, verzog sich sein dunkles Gesicht zu einem Lächeln und gab den Blick auf blendend weiße Zähne frei. Tja, er war zweifellos begehrenswert – vielleicht sogar so begehrenswert wie Sam.
Sam – wieso fand sie ihn plötzlich begehrenswert ? Er würde sich totlachen, wenn er jemals erfuhr, dass sie so etwas über ihn dachte.
Der junge Mann grüßte sie mit einem angedeuteten Kopfnicken und wandte sich dann wieder seinen Freunden zu.
»Das ist Ilias«, flüsterte Ansel, dichter zu ihr gebeugt, als Celaena lieb war. Hatte sie kein Gefühl für Privatsphäre? »Der Sohn des Meisters.«
Das erklärte die meergrünen Augen. Auch wenn von dem Meister etwas Heiliges ausging, musste er nicht unbedingt wie ein Mönch leben.
»Sieh mal an, du bist ihm aufgefallen!«, neckte Ansel mit so leiser Stimme, dass nur Celaena und Mikhail sie hören konnten. »Normalerweise ist er viel zu sehr auf sein Training und seine Meditation konzentriert, um auf seine Umgebung zu achten – nicht einmal auf schöne Mädchen.«
Celaena hob die Augenbrauen und verkniff sich die Bemerkung, dass ihr das völlig egal war.
»Ich kenne ihn seit Jahren und zu mir ist er immer total abweisend gewesen«, sprach Ansel weiter. »Aber vielleicht steht er ja auf Blondinen.« Mikhail schnaubte.
»Wegen so was bin ich nicht hier«, gab Celaena zurück.
»Und ich wette, du hast zu Hause sowieso einen Schwarm Verehrer.«
»Hab ich nicht.«
Ansel machte große Augen. »Du lügst.«
Celaena nahm einen großen Schluck Wasser, das mit Zitronenscheiben aromatisiert und unglaublich köstlich war. »Nein, tue ich nicht.«
Ansel bedachte sie mit einem skeptischen Blick, bevor sie ihre Unterhaltung mit Mikhail fortsetzte. Celaena schob das Essen auf ihrem Teller hin und her. Es war nicht so, dass sie nicht romantisch veranlagt war. Sie war schon mehrmals verknallt gewesen – angefangen mit Archer, der jungen männlichen Kurtisane, der ein paar Monate mit ihnen trainiert hatte, als sie dreizehn gewesen war, bis hin zu Ben, Arobynns Stellvertreter, der kürzlich ums Leben gekommen war. Damals war sie zu jung gewesen, um die Aussichtslosigkeit so einer Sache wirklich zu begreifen.
Sie riskierte einen weiteren Blick auf Ilias, der stumm über etwas lachte, das einer seiner Gefährten gesagt hatte. Es schmeichelte ihr, dass er sie interessant fand; in den vier Wochen seit jener Nacht mit Arobynn hatte sie überhaupt nur in den Spiegel geschaut, um sich zu vergewissern, dass nichts gebrochen oder am falschen Platz war.
»Hör mal«, sagte Mikhail in ihre Überlegungen hinein und deutete mit der Gabel auf sie, »als dein Meister dich grün und blau geschlagen hat, hattest du es da verdient?«
Ansel warf ihm einen finsteren Blick zu und Celaena setzte sich aufrecht hin. Jetzt hörte sogar Ilias zu, seine schönen Augen ruhten auf ihrem Gesicht, während die von Celaena auf Mikhail gerichtet waren. »Das kommt drauf an, wer die Geschichte erzählt.«
Ansel kicherte.
»Wenn Arobynn Hamel die Geschichte erzählt, dann habe ich es wohl verdient. Ich habe ihn eine schöne Stange Geld gekostet – wahrscheinlich sogar ein kleines Vermögen. Ich war ungehorsam und respektlos und ohne jede Reue über das, was ich getan habe.«
Als Celaena den Blick nicht abwandte, bröckelte Mikhails Grinsen.
»Aber wenn die zweihundert Sklaven, die ich befreit habe, die Geschichte erzählen, dann habe ich es vermutlich nicht verdient.«
Keiner am Tisch grinste noch. »Große Götter«, flüsterte Ansel. Für einige Sekunden legte sich echtes Schweigen über die Runde.
Celaena aß weiter. Sie hatte keine Lust, noch länger mit ihnen zu reden.
Celaena stand im Schatten der Dattelpalmen, die die Oase von den Dünen trennten, und starrte in die Weite der Wüste hinaus. »Sag das noch mal«, sagte sie zu Ansel. Nach der gedämpften Unterhaltung beim Essen gestern Abend und den totenstillen Festungsfluren auf dem Weg hierher schmerzten ihr beim Sprechen in normaler Lautstärke die Ohren.
Aber Ansel, die eine weiße Tunika, Hosen und mit Kamelfell besetzte Stiefel trug, grinste nur und band das weiße Tuch um ihr rotes Haar fester. »Es ist ein 5-Kilometer-Lauf zur nächsten Oase.« Sie reichte ihr zwei der Holzeimer, die sie mitgebracht hatte. »Die sind für dich.«
Celaena
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