Celaenas Geschichte 02 - Throne of Glass

helfen, ihn zu ertragen, wenn sie – wie der Meister es nannte – Wut daraus zog?
    »Soweit ich das beurteilen kann, Celaena«, sprach er mit rauer Stimme weiter, »hat Ansel niemanden so nah an sich herankommen lassen wie dich. Und ich glaube, sie hat dich weggeschickt, weil ihr wirklich etwas an dir lag.«
    Celaena hasste sich dafür, dass ihre Lippen zitterten. »Deswegen tut es nicht weniger weh.«
    »Das wollte ich damit auch nicht sagen. Aber ich denke, du hast einen bleibenden Eindruck in Ansels Herz hinterlassen. Du hast sie laufen lassen und ihr das Schwert ihres Vaters zurückgegeben. Das wird sie nicht so schnell vergessen. Und wenn sie den nächsten Schritt macht, um ihren Titel zurückzufordern, wird sie sich vielleicht an die Assassinin aus dem Norden erinnern, daran, wie freundlich du zu ihr warst, und versuchen, weniger Leichen auf ihrem Weg zu hinterlassen.«
    Als wollte er ihr Zeit geben, die Fassung zurückzugewinnen, ging er zu einem kunstvoll gearbeiteten Holzkästchen und zog einen Brief heraus. Als er zu ihr zurückkehrte, waren Celaenas Augen klar. »Das hier kannst du deinem Meister mit hoch erhobenem Kopf geben.«
    Sie nahm den Brief – das Empfehlungsschreiben, für das sie den vergangenen Monat gearbeitet hatte. Angesichts der jüngsten Ereignisse wirkte es belanglos. »Wie kommt es, dass Ihr jetzt mit mir sprecht? Ich dachte, Euer Schweigegelübde würde für immer gelten.«
    Der Meister zuckte mit den Schultern. »Das scheinen alle zu denken,aber soweit ich mich erinnern kann, habe ich nie offiziell geschworen zu schweigen. Ich schweige aus freien Stücken und habe mich so daran gewöhnt, dass ich oft vergesse, dass ich sprechen kann. Aber es gibt Situationen, da geht es nicht ohne Worte – wenn Erklärungen nötig sind, die bloße Gesten nicht übermitteln können.«
    Celaena versuchte ihre Überraschung zu überspielen und nickte. Nach einer Pause fügte der Meister hinzu: »Falls du den Norden jemals verlassen willst, findest du hier immer ein Zuhause. Ich verspreche dir, dass die Wintermonate weit angenehmer sind als der Sommer. Und ich glaube, mein Sohn wäre auch glücklich, wenn du zurückkommen würdest.« Als er lachte, wurde Celaena rot. Er griff nach ihrer Hand. »Wenn du morgen aufbrichst, werden einige meiner Leute dich begleiten.«
    »Warum?«
    »Sie sollen den Wagen nach Xandria fahren. Ich weiß, dass du von deinem Meister abhängig bist – dass du ihm ein Vermögen schuldest, bevor du frei bist, um dein eigenes Leben zu leben. Er lässt dich das ganze Geld zurückzahlen, das du dir gezwungenermaßen bei ihm leihen musstest.« Der Meister drückte ihr die Hand, bevor er an eine der drei Truhen trat, die an der Wand standen. »Dafür, dass du mir das Leben gerettet hast – und Ansel verschont hast.« Er klappte eine Truhe nach der anderen auf.
    Das Sonnenlicht brachte das Gold darin zum Glitzern und überzog den Raum mit Lichtflecken, als würde es von Wasser reflektiert. Das viele Gold … und das Stück Spinnenseide, das der Händler ihr gegeben hatte … Nicht auszudenken, welche Möglichkeiten dieser Reichtum ihr eröffnete.
    »Wenn du deinem Meister den Brief überreichst, gib ihm auch die Truhen. Und sag ihm, dass wir hier in der Red Desert unsere Schüler nicht schlagen.«
    Celaenas Lippen bogen sich zögernd zu einem Lächeln. Ihre Augen brannten. »Ich glaube, das bekomme ich hin.«
    Sie blickte durchs offene Fenster nach draußen. Zum ersten Mal seit langer Zeit hörte sie das Lied des Nordwinds, der sie nach Hause rief. Und sie hatte keine Angst.

Informationen zum Buch
    Throne of Glass - Die Vorgeschichte der Heldin
    Celaena ist jung, schön – und zum Tode verurteilt. Wie die meistgefürchtete Assassinin der Welt gefasst, verurteilt und in die Minen von Endovier geworfen werden konnte – und wie sie ihre erste große Liebe findet – das wird in vier eBooks erzählt: Celaenas Geschichte 1 – 4.
    Celaenas Geschichte 2
    Die schweigenden Assassinen der Red Desert halten nicht viel von Konversation, und Celaena ist das auch ganz recht. Sie ist schließlich nicht dort, um zu plaudern, sondern um ihre Fertigkeiten bei den gefährlichsten Auftragsmördern, die man für Geld anheuern kann, zu trainieren. Als die Stille der Wüste plötzlich von unheimlichen Mächten durchbrochen wird, die nur darauf aus sind, die Assassinen zu vernichten, bleibt Celaena nur eins: einen Weg finden, sie aufzuhalten – oder mit viel Glück nicht sofort sterben