Celaenas Geschichte 03 - Throne of Glass
Übergabe bewusst bis nach dem großen Straßenfest, damit er am nächsten Tag nach Hause abhauen kann.«
Celaena blickte zur Decke, als könnte sie durch die Holzbalken in ihr Zimmer im Stockwerk darüber sehen, wo jetzt ihre Goldtruhen standen. Sie brauchte dieses Geld nicht, aber wenn sie ihre Schulden bei Arobynn abzahlte, wäre sie ziemlich knapp bei Kasse. Und bei diesem Auftrag ging es nicht nur darum zu töten, sondern auch anderen zu helfen. Wie viele Leben würde es kosten, wenn sie Doneval und seinen Partner nicht umbrachte und diese vertraulichen Unterlagen nicht an sich nahm?
Als Arobynn sich ihr wieder näherte, stand sie auf. Er strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Ich habe dich vermisst«, sagte er.
Er breitete die Arme aus, machte jedoch keine weiteren Anstalten, sie zu umarmen. Sie betrachtete sein Gesicht. Der Stumme Meister hatte ihr gesagt, dass die Menschen unterschiedlich mit ihrem Schmerz umgingen – dass die einen ihn erstickten, die anderen ihn willkommen hießen und wieder andere Wut daraus zogen. Sie bereute zwar nicht, die zweihundert Sklaven von Skull’s Bay befreit zu haben, aber damit hatte sie Arobynn hintergangen. Sie zu verprügeln war vielleicht seine Art gewesen, mit dem Schmerz fertig zu werden.
Sein Verhalten war zwar durch nichts auf der Welt zu rechtfertigen, doch Arobynn war alles, was sie hatte. Ihre gemeinsame Geschichte – nebulös und voller überraschender Wendungen und Geheimnisse – war mit mehr als nur Gold geschmiedet. Und wenn sie ihn verließ, wenn sie ihre Schulden jetzt sofort bezahlte und ihn nie wiedersah …
Sie trat einen Schritt zurück. Arobynn ließ lässig die Arme sinken, kein bisschen verunsichert über ihre Distanzierung. »Ich überlegemir die Sache mit Doneval.« Das war nicht gelogen. Sie nahm sich grundsätzlich Zeit, über ihre Aufträge nachzudenken – darin hatte Arobynn sie immer bestärkt.
»Es tut mir leid«, sagte er noch einmal.
Celaena warf ihm bloß noch einen langen Blick zu, bevor sie ging.
Die Erschöpfung überfiel sie in dem Moment, als sie die erste Stufe der prächtigen ausladenden Marmortreppe hinaufstieg. Hinter ihr lag ein anstrengender Reisemonat – im Anschluss an vier Wochen aufreibenden Trainings und seelischer Belastung. Jedes Mal, wenn sie die Narbe an ihrem Hals sah oder sie berührte oder mit ihren Kleidern streifte, schmerzte sie die Erinnerung an den Verrat, der sie ihr beschert hatte. Sie hatte geglaubt, Ansel wäre ihre Freundin – eine Freundin fürs Leben, eine Herzensfreundin. Aber Ansels Rachsucht war stärker gewesen als alles andere. Trotzdem hoffte Celaena, dass Ansel, wo auch immer sie jetzt war, sich endlich dem stellte, was sie so lange verfolgt hatte.
Als ein vorbeieilender Diener sie sah, neigte er den Kopf, den Blick von ihr abgewandt. Jeder, der hier arbeitete, wusste mehr oder weniger genau, wer sie war, und würde es selbst unter schwerster Folter für sich behalten. Wobei es darauf jetzt nicht mehr wirklich ankam, schließlich war jeder einzelne der Schweigenden Assassinen eingeweiht.
Celaena seufzte und fuhr sich durch die Haare. Bevor sie heute Morgen die Stadt betreten hatte, war sie in einem Wirtshaus gleich außerhalb von Rifthold eingekehrt, um zu baden, ihre verdreckten Kleider zu waschen und sich ein bisschen herzurichten. Sie hatte den Unterschlupf der Assassinen nicht betreten wollen, solange sie wie eine Kanalratte aussah. Aber sie fühlte sich noch immer schmutzig .
Im ersten Stock kam sie an einem der Salons vorbei und hob die Brauen, als sie drinnen den Klang eines Klaviers und Lachen hörte.Wenn Arobynn Gäste hatte, warum hatte er bei ihrer Ankunft dann so furchtbar beschäftigt in seinem Arbeitszimmer gesessen?
Celaena knirschte mit den Zähnen. Und dann der Quatsch, sie warten zu lassen, bis er mit seiner Arbeit fertig war …
Sie ballte die Hände zu Fäusten und wollte gerade herumwirbeln und die Treppe wieder hinunterstapfen, um Arobynn zu sagen, dass sie auszog und ihm nicht länger gehörte, da trat jemand aus einer Seitentür auf den elegant ausgestatteten Flur.
Celaena blieb wie angewurzelt stehen, als sie Sam Cortland sah.
Sams braune Augen waren weit geöffnet, sein Körper starr. Es bereitete ihm offenbar Mühe, die Tür zu schließen, dann kam er auf sie zu, vorbei an den blaugrünen Samtvorhängen vor den bodentiefen Fenstern, vorbei an den gerahmten Ölgemälden, immer näher. Celaena rührte sich nicht, ließ ihn von Kopf bis Fuß auf
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