Celaenas Geschichte 1 - Throne of Glass: Roman (German Edition)
Piratenlord geworden?«
Rolfe zeichnete eine tiefe Kerbe im Holztisch nach. »Ich habe jeden Piraten umgebracht, der besser war als ich.« Die fünf anderen Piraten – alle älter, alle sonnenverbrannter und weit weniger attraktiv als er – schnaubten, widersprachen ihm aber nicht. »Jeden, der überheblich genug war, zu meinen, gegen einen jungen Mann mit einer kunterbunt zusammengewürfelten Crew und einem einzigen Schiff auf seinen Namen könnte er nicht verlieren. Aber sie mussten alle dran glauben, einer nach dem anderen. Wenn sich so was rumspricht, kommen die Leute in Scharen angelaufen.« Rolfes Blick wanderte zwischen Celaena und Sam hin und her. »Wollt Ihr meinen Rat hören?«, fragte er Celaena.
»Nein.«
»Ich wäre Sam gegenüber vorsichtig. Ihr mögt die Beste sein, Sardothien, aber es gibt immer jemanden, der nur darauf wartet, dass Ihr einen Fehler macht.«
Sam, der treulose Mistkerl, konnte sich das Grinsen nicht verkneifen. Die anderen Piraten lachten in sich hinein.
Celaena starrte Rolfe durchdringend an. Ihr Magen knurrte. Sie würde später essen – etwas aus der Wirtshausküche mitgehen lassen. »Wollt Ihr meinen Rat hören?«
Er wedelte nachlässig mit der Hand, als Zeichen weiterzusprechen.
»Kümmert Euch um Euren eigenen Kram.«
Rolfe grinste sie träge an.
»Ich finde Rolfe gar nicht so übel«, murmelte Sam später in die pechschwarze Finsternis ihres Zimmers. Celaena, die die erste Wache übernommen hatte, drehte den Kopf zu seinem Bett an der gegenüberliegenden Wand.
»Natürlich nicht«, erwiderte sie missmutig. Sie saß auf ihrem Bett, an die Wand gelehnt, froh, dass frische Luft an ihr Gesicht kam, und zupfte an der Bettdecke herum. »Er hat dir geraten, mich abzumurksen.«
Sam kicherte. »Wahrlich ein weiser Ratschlag.«
Celaena krempelte die Ärmel ihrer Tunika auf. An diesem grässlichen Ort herrschte sogar nachts eine Affenhitze. »Vielleicht ist es dann keine kluge Idee, wenn du schlafen gehst.«
Sams Matratze ächzte, als er sich umdrehte. »Ach komm! Verstehst du nicht mal ein bisschen Spaß?«
»Wenn es um mein Leben geht? Nein.«
Sam schnaubte. »Glaub mir, wenn ich ohne dich nach Hause käme, würde Arobynn mir bei lebendigem Leib die Haut abziehen. Buchstäblich. Wenn ich dich umbringe, Celaena, dann erst, wenn ich ungestraft davonkomme.«
Sie machte ein mürrisches Gesicht. »Sehr beruhigend.« Sie fächelte sich Luft zu. In diesem Moment hätte sie für eine kühle Brise ihre Seele an eine Meute Dämonen verkauft, aber sie mussten das Fenster verdunkelt lassen. Schließlich wollte sie nicht, dass ein spionierendesAugenpaar entdeckte, wie sie aussah. Obwohl sie eigentlich nur zu gern Rolfes Gesicht sehen würde, wenn er die Wahrheit herausfand. Dass sie jung war, war bekannt, doch wenn Rolfe erfuhr, dass er es mit einer Sechzehnjährigen zu tun hatte, wäre das ein schwerer Schlag für sein Ego.
Sie würden nur drei Nächte hier verbringen; sie konnten beide mit weniger Schlaf auskommen, wenn sie dadurch Celaenas Anonymität – und ihrer beider Leben – schützten.
»Celaena?«, fragte Sam in die Dunkelheit. » Muss ich mir denn Sorgen machen, wenn ich schlafe?«
Sie war überrascht, dann lachte sie leise. Wenigstens nahm Sam ihre Drohungen halbwegs ernst. Sie wünschte, sie könnte von Rolfe dasselbe sagen. »Nein«, gab sie zurück. »Heute Nacht nicht.«
»Dann in irgendeiner anderen Nacht«, nuschelte er. In der nächsten Minute war er eingeschlafen.
Celaena lehnte den Kopf an die Holzverkleidung und lauschte auf das Geräusch seines Atems, während die langen Stunden der Nacht langsam verstrichen.
4
C elaena lag wach, selbst als sie mit Schlafen an der Reihe war. Während der Stunden, in denen sie das Zimmer überwacht hatte, waren ihre Gedanken fast nur um ein Thema gekreist.
Die Sklaven.
Vielleicht wenn Arobynn jemand anderen geschickt hätte – vielleicht wenn es einfach ein Geschäft gewesen wäre, von dem sie im Nachhinein erfahren hätte, zu beschäftigt, um sich Gedanken zu machen –, wäre es ihr womöglich nicht so gegen den Strich gegangen. Aber sie damit zu beauftragen, eine Schiffsladung Sklaven abzuholen … Leute, die nichts Böses getan hatten, sondern nur für ihre Freiheit und die Sicherheit ihrer Familien gekämpft hatten …
Wie konnte Arobynn so etwas von ihr verlangen? Wenn Ben noch am Leben wäre, hätte sie in ihm vielleicht einen Verbündeten finden können; trotz ihres blutigen Handwerks war Ben der
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