Celaenas Geschichte 1 - Throne of Glass: Roman (German Edition)
eigentlich gar nicht so spektakulär aussah. Vielleicht war das das Hauptquartier des Piratenlords. Und wenn er sie und Sam in dem Wirtshaus ein paar Blocks entfernt untergebracht hatte, dann vielleicht weil er ihnen so wenig über den Weg traute wie sie ihm.
»Ich kann es vielmehr kaum erwarten, in zivilisierte Gesellschaft zurückzukehren«, gab sie mit zuckersüßer Stimme zurück.
Rolfe stöhnte leise, bevor er die Wirtshaustür öffnete: Schatten, Stimmengemurmel – und ein strenger Geruch nach abgestandenem Bier. Mehr konnte Celaena nicht ausmachen.
»Irgendwann«, sagte Rolfe verdächtig ruhig, »wird jemand Euch diese Überheblichkeit so richtig heimzahlen.« Ein Blitz ließ seine grünen Augen aufleuchten. »Ich hoffe nur, dass ich dann auch dabei bin.«
Er knallte ihr die Tür vor der Nase zu.
Celaena grinste und ihr Grinsen wurde breiter, als dicke Regentropfen auf die rostrote Erde fielen und die feuchtheiße Luft augenblicklich abkühlten.
Das war überraschend gut gelaufen.
»Ist es vergiftet?«, fragte sie Sam und ließ sich im selben Moment aufs Bett fallen, als ein Donnerschlag das Wirtshaus in seinen Grundfesten erzittern ließ. Die Teetasse tanzte auf dem Unterteller, und während Celaena die Kapuze abstreifte und ihre Maske löste, sog sie den Duft von frisch gebackenem Brot, Würstchen und Haferbrei ein.
»Von ihnen oder von mir?« Sam saß auf dem Boden, ans Bett gelehnt.
Nur um ihn zu ärgern, schnüffelte Celaena an ihrem Essen. »Rieche ich da … Tollkirsche?«
Sam starrte sie genervt an und sie riss grinsend ein Stück Brot ab. Mehrere Minuten saßen sie schweigend da. Die einzigen Geräusche waren das Klirren ihres Bestecks auf den schäbigen alten Tellern, das Trommeln des Regens auf dem Dach und das gelegentliche Ächzen einer sich entladenden Gewitterwolke.
»Also«, sagte Sam, als sie nach ihrer Teetasse griff. »Weihst du mich in deine Pläne ein oder soll ich Rolfe einen Tipp geben, sich aufs Schlimmste gefasst zu machen?«
Celaena nippte graziös an ihrem Tee. »Ich habe keinen blassen Schimmer, wovon du redest, Sam Cortland.«
»Was für ›Fragen‹ hast du ihm gestellt?«
Sie setzte ihre Tasse ab. Es war kaum zu hören, so stark prasselte der Regen gegen die Fensterläden. »Ganz höfliche.«
»Ach ja? Ich dachte, du weißt gar nicht, was höflich bedeutet.«
»Ich kann durchaus höflich sein, wenn mir danach ist.«
»Wenn du dadurch bekommst, was du willst, meinst du wohl eher. Also was willst du von Rolfe?«
Celaena musterte ihren Gefährten. Er schien wegen des geplanten Geschäfts nicht die geringsten moralischen Bedenken zu haben. Er mochte Rolfe misstrauen, aber es störte ihn nicht, dass einhundert Unschuldige wie Vieh gehandelt werden sollten. »Ich wollte mehr über die Landkarte auf seinen Händen wissen.«
»Verdammt noch mal, Celaena!« Sam schlug mit der Faust auf den Holzboden. »Sag mir die Wahrheit!«
»Warum?«, fragte sie und zog eine Schnute. »Und woher willst du wissen, dass ich dir nicht die Wahrheit sage?«
Sam sprang auf und ging in dem kleinen Raum auf und ab, wobei er den obersten Knopf seiner schwarzen Tunika öffnete, sodass die Haut darunter zu sehen war. Etwas daran fühlte sich seltsam intim an und Celaena ertappte sich dabei, wie sie schnell wegsah.
»Wir sind zusammen aufgewachsen.« Sam blieb am Fußende ihres Bettes stehen. »Meinst du, ich kriege es nicht mit, wenn du was ausheckst? Was willst du wirklich von Rolfe?«
Wenn sie es ihm sagte, würde er sie mit allen Mitteln davon abzuhalten versuchen. Und ein Gegner reichte ihr schon. Solange ihr Plan noch nicht ausgereift war, musste sie Sam außen vor halten. Außerdem, sollte es hart auf hart kommen, würde Rolfe Sam womöglich umbringen, wenn er beteiligt war. Oder einfach nur deshalb, weil er sie kannte.
»Vielleicht kann ich seinem Charme einfach nicht widerstehen«, sagte sie.
Sam richtete sich auf. »Er ist zwölf Jahre älter als du.«
»Na und?« Er dachte doch nicht etwa, dass sie es ernst meinte, oder?
Mit einem vernichtenden Blick, der sie gut und gern in ein Häufchen Asche hätte verwandeln können, ging Sam zum Fenster und riss seinen Umhang herunter.
»Was machst du denn da?«
Er öffnete die hölzernen Fensterläden. Der Himmel war voller Regenwolken und verästelter Blitze. »Ich habe es satt, hier drin zu ersticken. Und wenn du an Rolfe interessiert bist, muss er irgendwann herausfinden, wie du aussiehst, oder? Warum also langsam zu Tode
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