Celaenas Geschichte 4 - Throne of Glass
Nutzen zu sein.
Vielleicht konnte sie einen Wachposten nahe genug zu sich locken, um ihn mit den Ketten zu strangulieren oder bewusstlos zu schlagen und ihn so lange als Geisel zu nehmen, bis jemand sie befreite und gehen ließ.
Vielleicht …
Mit einem Ächzen öffnete sich die Tür und es erschien ein Mann, hinter ihm drei weitere.
Seine Tunika war dunkel und mit Goldfäden bestickt. Falls er überrascht war, sie wach vorzufinden, zeigte er es nicht.
Königliche Leibgardisten.
Dann war das hier das königliche Verlies.
Der vorderste Leibgardist hielt ein Tablett in den Händen, das er nun auf den Boden stellte und in ihre Richtung schob. Wasser, Brot, ein Stück Käse. »Abendessen«, sagte er, ohne einen Schritt in den Raum zu machen.
Er und seine Gefährten wussten, wie gefährlich es war, ihr zu nahe zu kommen.
Celaena blickte zum Tablett. Abendessen. Wie lange befand sie sich bereits hier unten? Schon fast einen ganzen Tag – und Arobynn hatte sie immer noch nicht herausgeholt? Er musste Wesley bei den Stallungen angetroffen haben und Wesley hatte ihm sicher gesagt, was sie vorgehabt hatte. Er musste wissen, dass sie hier war.
Als Celaena merkte, dass der Leibgardist sie beobachtete, sah sie zu ihm hoch.
»Aus diesem Verlies entkommt niemand«, verkündete er. »Und diese Ketten sind mit Eisen aus Adarlan geschmiedet.«
Sie starrte ihn an. Er war schon etwas älter, vielleicht vierzig, und trug keine Waffen – noch eine Vorsichtsmaßnahme. Normalerweise traten die Männer in jungen Jahren in die königliche Leibgarde ein und blieben, bis sie zu alt waren, ein Schwert zu tragen. Das bedeutete, dass dieser Mann jahrelanges umfassendes Traininghinter sich hatte. Es war zu dunkel, um die drei anderen hinter ihm genau zu sehen, aber Celaena wusste, dass ihre Überwachung nicht jedem Beliebigen anvertraut wurde.
Selbst wenn hinter seinen Worten die Absicht stand, sie einzuschüchtern, sagte er wahrscheinlich die Wahrheit. Aus den königlichen Verliesen kam niemand heraus. Und es kam auch niemand hinein.
Da sie schon einen ganzen Tag hier war und Arobynn sie noch nicht gefunden hatte, würde sie auch nicht hinausgelangen. Wenn der Verräter es geschafft hatte, sie und Sam und Arobynn hereinzulegen, würde er auch zu verhindern wissen, dass der König der Assassinen ihren Aufenthaltsort erfuhr.
Nun, da Sam tot war, gab es außerhalb des Verlieses sowieso nichts mehr, wofür zu kämpfen sich lohnte. Adarlans Assassinin war dabei, in sich zusammenzufallen, und ihre Welt mit ihr. Das Mädchen, das sich mit dem Piratenlord und seiner ganzen Insel angelegt hatte, das Mädchen, das Asterionpferde gestohlen hatte und in der Red Desert am Strand entlanggaloppiert war, das Mädchen, das auf dem Dach ihrer Wohnung gesessen und die Sonne über dem Avery hatte aufgehen sehen, das Mädchen, für das die Welt voller Möglichkeiten gesteckt hatte … dieses Mädchen gab es nicht mehr.
Von ihr war nichts mehr übrig. Und Arobynn kam nicht.
Sie hatte versagt.
Und das Schlimmste war, dass sie Sam gegenüber versagt hatte. Sie hatte nicht einmal den Mann umgebracht, der ihn auf so bestialische Weise getötet hatte.
Erst als der Leibgardist von einem Bein aufs andere trat, merkte Celaena, dass sie ihn angestarrt hatte. »Das Essen ist in Ordnung«, sagte er nur noch, bevor er rückwärts hinausging und die Tür abschloss.
Celaena trank das Wasser und aß so viel Brot und Käse, wie sievertrug. Sie konnte nicht sagen, ob das Essen fade war oder ob ihre Zunge den Geschmackssinn verloren hatte. Jeder Bissen schmeckte wie Asche.
Sobald sie fertig war, kickte sie das Tablett zur Tür. Es war ihr egal, dass sie es als Waffe hätte benutzen können. Oder als Köder, um einen ihrer Bewacher näher zu sich zu locken.
Denn sie würde nicht freikommen und Sam war tot.
Sie lehnte den Kopf an die feuchtkalte Wand. Sie würde nicht einmal dafür sorgen können, dass Sam ein gut geschütztes Grab bekam. Sogar darin hatte sie versagt.
Als die ohrenbetäubende Stille zurückkehrte, hieß Celaena sie mit offenen Armen willkommen.
Ihre Bewacher unterhielten sich gern. Über Wettkämpfe, über Frauen, über das Vorrücken von Adarlans Armeen. Und am allermeisten über ihre Gefangene.
Hin und wieder durchbrach ein Gesprächsfetzen die Mauer des Schweigens und weckte Celaenas Aufmerksamkeit für einen Moment, bevor sie sich wieder dem unendlichen Meer der Stille überließ.
»Der Captain wird wütend sein, dass er die
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