Celinas Tochter
stach.
»Mutter«, flüsterte sie, probierte das Wort: »Mama, Mami.« Die Bezeichnungen schmeckten fremd auf ihrer Zunge. Sie hatte sie noch nie zu jemandem gesagt.
»Celina hat damals geschworen, Sie würden sie allein am Klang ihrer Stimme erkennen.«
Alex wirbelte erschrocken herum. Sie legte eine Hand auf ihr hämmerndes Herz und rang nach Luft. »Sie haben mich erschreckt. Was machen Sie denn hier?«
Junior Minton kniete sich neben sie und legte einen frischen Blumenstrauà vor den Grabstein. Er sah ihn einen Augenblick an, dann drehte er den Kopf und lächelte Alex traurig an.
»Instinkt. Ich hab im Motel angerufen, aber Sie waren nicht in Ihrem Zimmer.«
»Woher wuÃten Sie, wo ich wohne?«
»In dieser Stadt weià jeder alles über jeden.«
»Keiner wuÃte, daà ich zum Friedhof gehn würde.«
»Logische SchluÃfolgerung. Ich versuchte mir vorzustellen, was ich an Ihrer Stelle getan hätte. Wenn Sie keine Gesellschaft wollen, geh ich.«
»Nein, schon in Ordnung.« Ihr Blick wanderte zurück zu dem kalten, unpersönlichen Stein. »Ich war noch nie hier. GroÃmama Graham hat sich geweigert, mich hierher mitzunehmen.«
»Ihre GroÃmutter ist kein warmherziger, groÃzügiger Mensch.«
»Nein, das ist sie nicht, nicht wahr?«
»Hat Ihnen Ihre Mutter gefehlt, als Sie klein waren?«
»Sehr. Ganz besonders, als ich in die Schule kam und mir klar wurde, daà ich das einzige Kind bin, das keine hatte.«
»Viele Kinder leben nicht bei ihren Müttern.«
»Aber sie wissen, daà sie eine haben.« Das war ein Thema, über das sie selbst mit ihren engsten Freunden nur ungern redete. Und sie hatte keine Lust, mit Junior darüber zu reden, gleichgültig wie mitfühlend ihm sein Lächeln gelang.
Sie berührte den StrauÃ, den er gebracht hatte und rieb das Blütenblatt einer roten Rose zwischen ihren Fingern. Die Blume fühlte sich an wie warmer Samt, aber die Farbe war die Farbe von Blut. »Bringen Sie oft Blumen an das Grab meiner Mutter, Mr. Minton?«
Er gab keine Antwort, bis sie ihn wieder ansah. »Ich war im Krankenhaus an dem Tag, an dem Sie geboren wurden. Ich hab Sie gesehen, bevor man Sie gewaschen hat.« Sein Grinsen war offen, herzlich, entwaffnend. »Finden Sie nicht, daà das Grund genug ist, sich beim Vornamen zu nennen?«
Es war unmöglich, gegen dieses Lächeln Schranken zu errichten. Es hätte Eisen schmelzen können. »Dann nennen Sie mich Alex«, gab sie nach.
Sein Blick glitt von ihrem Haaransatz bis zu ihren Zehen hinab. »Alex, das gefällt mir.«
»Und, machen Sieâs?«
»Was, Ihren Namen mögen?«
»Nein, öfter Blumen vorbeibringen?«
»Ach das. Nur an Feiertagen. Normalerweise bringen Angus und ich welche an ihrem Geburtstag. Weihnachten und Ostern macht es auch Reede. Wir teilen uns die Kosten für die Grabpflege.«
»Aus irgendeinem bestimmten Grund?«
Sein Blick war etwas komisch, aber dann sagte er schlicht: »Wir alle haben Celina geliebt.«
»Ich bin überzeugt, daà einer von euch sie umgebracht hat«, sagte sie leise.
»Sie irren sich, Alex. Ich habe sie nicht umgebracht.«
»Und was ist mit Ihrem Vater? Glauben Sie, er hatâs getan?« Er schüttelte den Kopf. »Er hat Celina wie eine Tochter behandelt, hat sie auch so gesehen.«
»Und Reede Lambert?«
Er hob nur die Schultern, als wäre keine Erklärung nötig. »Also Reede...«
»Was?«
»Reede hätte sie nie töten können.«
Alex kuschelte sich tiefer in ihre Pelzjacke. Die Sonne war untergegangen und es wurde sekündlich kälter. Ihr Atem bildete kleine Wölkchen, als sie sagte: »Ich war heute nachmittag in der Gemeindebibliothek und hab alte Ausgaben der Lokalzeitungen gelesen.«
»Auch was über mich?«
»Oh ja, alles über Ihre Zeit im Purcell Panther Footballteam.«
Er lachte und der Wind lüpfte seine blonden Haare. Sie waren viel heller als die von Reede und feiner, besser gepflegt. »Das muà ja faszinierender Lesestoff gewesen sein.«
»Oh ja. Sie und Reede waren Cocaptains des Teams.«
»Verdammt, ja.« Er bog den Arm, als wolle er seinen Bizeps zeigen. »Wir dachten, wir wären unbesiegbar, die GröÃten.«
»In ihrem ersten Studienjahr war meine Mutter die Homecoming
Queen 6 . Auf einem der
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