Centurio der XIX Legion: Historischer Roman (German Edition)
Häuptlinge nickten den Centurionen dankbar zu. Die Erleichterung der Männer war unübersehbar. Valens entließ die Kelten mit einer herrischen Handbewegung. Als sie außer Hörweite waren, drehte er sich zu Lucius und fragte knapp und mit von Zorn belegter Stimme: „Nun?“
Lucius erklärte ihm kurz, welche Bedeutung das bevorstehende Fest für die Kelten hatte.
Valens’ Gesicht entspannte sich, obwohl er „Abergläubischer Unsinn!“ knurrte. Er sparte sich sogar die bissige Bemerkung, mit der er normalerweise jede von Lucius’ Handlungen bedachte.
Lucius wusste, dass Valens Verständnis für den Brauch der Kelten hatte. Die Römer waren ebenfalls sehr abergläubisch und besonders die Legionäre achteten stark auf Vorzeichen. Ein schlechtes Omen, ein negatives religiöses Vorzeichen konnte eine disziplinierte Legion in einen Haufen ängstlicher Weiber verwandeln.
Eine Legion ist ein Dorf, sagte ein altes Sprichwort, und Neuigkeiten verbreiteten sich in Windeseile. In einer Kohorte ging es noch schneller. Am nächsten Morgen wusste jeder keltische Krieger von dem bevorstehenden Nachtmarsch, von seiner Verschiebung und dass der junge Centurio sich dafür eingesetzt hatte. Die Männer, die Lucius bisher gleichgültig betrachtet hatten, brachten ihm nun Respekt entgegen.
Waren sie zu Anfang über Lucius’ geringe Kenntnisse ihrer Sprache überrascht gewesen und hatten sich heimlich lustig gemacht, nutzten sie nun die Gelegenheit, sich mit dem Römer in ihrer Muttersprache zu unterhalten. Da nicht alle Krieger Latein konnten, war Valens in vielen Situationen auf einen Dolmetscher angewiesen. Lucius hingegen unterhielt sich mit den Häuptlingen auf Latein, um dann mit den einfachen Kriegern in ihrem Dialekt zu sprechen.
Besonders mit Ambiorix verband Lucius bald fast so etwas wie eine Freundschaft. Ambiorix versprühte ständig gute Laune und wirkte immer ausgeglichen. Selbst nach den anstrengendsten Ausbildungseinheiten hatte er für die Männer seiner Einheit Scherzworte übrig, um sie bei Laune zu halten. Lucius gegenüber zeigte er sich spöttisch respektvoll – oder respektvoll spöttisch? Er schien die Tatsache, dass er unter einem Frischling in den Kampf zog, mit Humor zu nehmen und erkannte Lucius’ Autorität an. Er befolgte alle seine Befehle und Anweisungen ohne Murren und ohne Seitenblicke, wie Lucius sie von Drusillus, Mallius und all den anderen gewohnt war. Und doch war sich Ambiorix der Ironie der Situation – hier der erfahrene Krieger, dort der unerfahrene Anführer – bewusst, und so ließ er Lucius auf eine freundschaftliche Art und Weise stets spüren, dass er über mehr Erfahrung verfügte. Lucius ertrug das seinerseits mit Humor, denn er mochte Ambiorix und war froh über dessen Fähigkeit, die Krieger der Kohorte bei all den Strapazen und Quälereien, die ihnen von den Römern auferlegt wurden, immer wieder zu motivieren.
Lucius wurde ins Legionslager zurückgerufen. Quirinius und Gallus hatten Kohorten ausgelost, die gegeneinander in einem Wettkampf antreten sollten. Diese Wettkämpfe dienten als verschärfte Übungseinheiten, die als praktischen Nebeneffekt noch einen großen Unterhaltungswert für die Legionäre mitbrachten. Je drei Centurien aus den 8. Kohorte n der Augusta und der Gallica sollten nun in den Disziplinen Schanzen, Waffentraining und Marschieren vor beiden Legionen ihr Können beweisen. Die Kohorte, die zwei Wettkämpfe gewann, war Sieger. Sie erhielt ein Fass Wein und bescherte ihrer Legion Ruhm und Ehre. Der Verlierer bekam Strafdienste aufgebrummt.
Zwei Wettkämpfe dieser Art hatten bereits stattgefunden. Die 3. Kohorte hatte für die Gallica und die 6. Kohorte für die Augusta den Sieg davongetragen. Der dritte Wettkampf wurde daher von beiden Legionen mit Spannung erwartet.
Die Primipili bedachten ihre Centurionen mit einem Blick, der ganz eindeutig besagte: „Wehe, ihr macht unserem Adler Schande und verliert!“
Hundert Centurionen standen auf dem Forum versammelt und warteten auf die Auslosung, die entscheiden würde, welche Centurie in welcher Disziplin antreten würde.
Der Aquilifer der Gallica griff in einen Krug und zog eine Nummer hervor. Er zeigte das Täfelchen mit der II in die Runde, die zweiten Centurien der Triarier würden demnach schanzen. Als Nächstes griff der Aquilifer der Augusta in den Krug und zog ein Täfelchen heraus. Es zeigte die IV. Die zweiten Centurien der Princeps würden also im Waffendrill gegeneinander antreten. Lucius
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