Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cevdet und seine Soehne

Cevdet und seine Soehne

Titel: Cevdet und seine Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orhan Pamuk
Vom Netzwerk:
ob
das alles ernst gemeint ist, oder ob du dich bloß lustig machst!«
    »Wie bitte?«
    »Wie bitte was?«
    »Man sieht also nicht, ob mir ernst
damit ist oder nicht?« In seiner Erregung schrie Ahmet geradezu. »Das ist ja
das Allerschönste! Weißt du eigentlich, dass man das zu Goya auch gesagt hat?
Dass man sich gefragt hat, ob er sich über die Aristokraten lustig macht oder
sie einfach bewundert?«
    »Na, dass du die da nicht
bewunderst, das sieht man!« sagte Hasan und deutete auf die Bilder.
    »Natürlich bewundere ich sie nicht!«
rief Ahmet. »Aber ich bemühe mich um Verständnis für sie! Ich will sie
begreifen und will die Türkei –«
    »Du bist ja ganz schön aus dem
Häuschen!«
    Ahmet seufzte auf, ging aber
sogleich das Buch mit den Goyareproduktionen holen. Er blätterte in dem dicken
Band und sagte immer wieder: »Schau hier! Und das da! Schau nur! Ich verstehe
diesen Goya erst jetzt so richtig!«
    »Und machst du den jetzt nach?«
fragte Hasan. Er beeilte sich hinzuzufügen: »Obwohl, die sehen ganz anders aus
als deine Bilder! Warte mal, ist das nicht die nackte Maja? Die kenne ich, da
gab’s doch mal einen Film, hast du den gesehen? Macht er sich nun lustig über
dieses Nackte?«
    Ahmet saß neben Hasan und blätterte
eifrig in dem Buch auf seinem Schoß. Endlich fand er, was er gesucht hatte: Die
Erschießung der Aufständischen: »Was sagst du dazu?«
    »Das … das nenne ich ein tolles
Bild! Das habe ich schon mal gesehen.«
    »Siehst du?« sagte Ahmet
triumphierend. Dann fragte er sich plötzlich, auf wen er nun stolz war, auf Goya
oder auf sich selbst? »Warum zeige ich ihm das eigentlich? Damit er mich
versteht, oder? Aber muss er erst Goya verstehen, um mich zu verstehen?« Ahmet
ärgerte sich, und ihm war nach Grobheiten zumute.
    »Los, mach das zu! Du magst es
nicht, und du verstehst es nicht!«
    »Doch, da sind wirklich schöne
Sachen drin«, sagte Hasan. Dann spulte er mechanisch einen seiner praktischen
Standardsätze ab: »Wir haben die Kunst in letzter Zeit vernachlässigt.« Ahmet
hatte sich abgewandt, doch Hasan blätterte noch immer in dem Goyaband herum.
»Da schau, der hat auch Katzen gemalt, so wie du! Einen Jungen mit einem Vogel
und Katzen dazu.« Er besah sich die Bilder jetzt mit kindlicher Freude. »Die da
sind ja wirklich lächerlich! Könige, vornehme Frauen … Ha! Der gefällt mir,
dieser Goya! Bravo!« Er klappte das Buch zu, stand auf und streckte sich. Mit
seinem Lächeln schien er zu sagen: »Danke, war echt amüsant, was du mir da
gezeigt hast!«
    »Ich hole uns Tee!« sagte Ahmet. Er
sah Hasan forschend an, wobei ihm wirre Gedanken über
Revolution und Kunst durch den Kopf gingen.
    Hasan wiederum widmete sich noch
einmal Ahmets Bildern. Als erwachte er aus einem Traum, sagte er auf einmal
ganz ernst: »Hier, du malst ja auch Katzen, und du hast diese Großbürger hier
gemalt, oder was immer das für Leute sein sollen, und jetzt empfinde ich auf
einmal etwas, wenn ich das so anschaue.« Verlegen setzte er hinzu: »Ja, ich
fühle wirklich etwas! Aber du weißt ja wahrscheinlich genausogut wie ich: Mit
so was lässt sich keine Revolution machen!«
    »Das mag schon sein«, sagte Ahmet
leise, »was aber nicht heißt, dass die Bilder keine Bedeutung hätten.«
    »Keineswegs!« erwiderte Hasan
erleichtert.
    Ahmet dachte: »Wie kann ich das bloß
so hinnehmen?« Aufgeregt rief er: »Und ob die nicht doch etwas zur Revolution
beitragen, das muss erst mal diskutiert werden!«
    »Schon, aber nicht jetzt!« sagte
Hasan gähnend. Er zündete sich eine Zigarette an. »Ich habe mich neulich mit
ein paar Genossen unterhalten, und da bist du mir eingefallen.«
    »Warte, ich hol erst den Tee!« Auf
dem Weg in die Küche dachte er: »Jetzt lässt er die Katze aus dem Sack!« Als er
zurückkam, ging Hasan im Zimmer auf und ab. »Ja, du bist mir eingefallen!«
    »Und warum? Wieviel Zucker?«
    »Nehme ich mir schon selbst … Wir
bringen nämlich eine Zeitschrift heraus.«
    »Aha! Eine Kunstzeitschrift?« fragte
Ahmet, obwohl er haargenau wusste, dass dem nicht so war.
    »Nein«, erwiderte Hasan ernst, »eine
politische Zeitschrift.«
    »Ihr könntet ja sagen ›Zeitschrift
für Kunst und Politik‹, das kommt immer gut an!«
    »Hör zu, Ahmet, ich meine es ernst.
Ich wollte es dir vorhin schon erklären, aber da hast du mich nicht ausreden
lassen. Wie gesagt gibt es da einige Genossen, die zwischen Arbeiterpartei und Nationaler
Demokratischer Revolution schwanken. Wenn du willst,

Weitere Kostenlose Bücher