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Cevdet und seine Soehne

Cevdet und seine Soehne

Titel: Cevdet und seine Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orhan Pamuk
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kannst du als Unabhängiger
sie als ›Unentschlossene‹ titulieren, aber das trifft die Sache nicht.
Ich jedenfalls gehöre zu diesen Leuten, obwohl ich ja Mitglied der
Arbeiterpartei bin. Wir glauben also weder an den Par lamentarismus wie die
Arbeiterpartei noch an den Klamauk, den die anderen veranstalten. Momentan sind
wir dabei, uns zu organisieren, um beide Seiten gebührend kritisieren und
unsere eigenen Ansichten auf den Tisch bringen zu können. Und dazu brauchen wir
eben eine Zeitschrift. An dich hätte ich nun folgenden Wunsch: dass du uns bei
der Gestaltung behilflich bist, also was Titelseite, Satz und diverse
Zeichnungen angeht. Und noch was: Könntest du uns auch finanziell unterstützen,
also uns direkt Geld geben?«
    Ohne nachzudenken, sagte Ahmet:
»Klar, mach ich!«
    »Moment, überleg erst mal! Überstürz
das nicht!«
    »Ja soll ich dir helfen oder nicht?«
    »Wenn ich das nicht wollte, wäre ich
dann gekommen? Ich meine, hätte ich das Thema dann angeschnitten? Ich möchte
lediglich, dass du erst mal drüber nachdenkst.«
    »So: Nachgedacht habe ich! Bloß das
eine muss ich dir sagen: Viel Geld habe ich nicht! Eigentlich gar keins!«
Vergnügt fügte er hinzu: »Mein Vater hat alles durchgebracht! Ich besitze
keinen roten Heller!« Und fast schon euphorisch sagte er: »Theoretisch gehört
mir die Hälfte dieses Stockwerks, aber das wurde ohne Genehmigung gebaut, und
wenn es nicht zu einer Bauamnestie kommt, muss das Stockwerk weg. Gehört nicht
deinem Vater irgendwo ein Stockwerk, in Yalova oder so, und ein wenig Grund
dazu?« Er sah Hasan lachend an. »Ich werde tun, was ich kann! Ich verdiene was
mit Unterricht.«
    Als wollte Hasan ihn trösten, sagte
er: »Mensch, das Geld ist doch gar nicht so wichtig! Aber du sagst so schnell
zu! Ich meine, liegen wir denn ideologisch auf der gleichen Linie?«
    »Jetzt übertreib doch nicht die
Unterschiede zwischen uns!«
    »Tu ich gar nicht! Ich möchte nur
eine solide Grundlage schaffen. Ohne Prinzipien und ohne Kritik ist ein
Zusammenschluss nämlich zum Scheitern verurteilt.«
    »Du redest ja wie ein Buch!«
    Gereizt stand Hasan auf und ging zum
Fenster. Es war schon dunkel draußen, so dass er wohl außer seinem Spiegelbild
im Fenster nichts sah, aber trotzdem starrte er hinaus.
    »Bist du jetzt beleidigt?« fragte
Ahmet. »Tut mir leid, aber ich bin heute ganz durcheinander!«
    »Mensch, mit dir kann man ja gar
nicht mehr reden! In einem fort stichelst und spöttelst du!«
    »Entschuldige!« sagte Ahmet. Auf einmal
dachte er: »Es wird einen Putsch geben, und dann löst sich das alles auf. Soll
er doch kommen, der Putsch!«
    Hasan sagte: »Ich verstehe dich ja.
Du sitzt hier ständig herum und bist –«
    Es klingelte.
    Ahmet dachte: »Oje, İlknur!« Er
hatte keine Lust, dass Hasan İlknur zu Gesicht bekam, und stellte sich
daher dicht vor die Tür, als er sie öffnete.
    »Ich bin’s wieder!« flötete es. Es
war seine Schwester. »Ich bin unten hängengeblieben. Tante Ayşe und Mine
waren da. Aber jetzt gehe ich heim, wir kriegen ja Besuch. Ich wollte dir nur
noch kurz was sagen.« An der Art, wie Ahmet abwehrend dastand, merkte sie, dass
jemand bei ihm war, und schon ging sie an ihm vorbei ins Zimmer. Beim Anblick
von Hasan war sie ganz überrascht.
    Ahmet dachte: »Sie hat wohl
İlknur erwartet!«
    »Ach Hasan!« sagte Melek, »Sie hätte
ich ja fast nicht erkannt!«
    Stiefelquietschend stand Hasan auf. »Guten Tag!«
    Sie schüttelten sich die Hand. Ahmet
musste schmunzeln. Die beiden fühlten sich unwohl, ließen aber nicht davon ab,
den anderen neugierig zu mustern. »Mal sehen, wer länger durchhält!« dachte
Ahmet. Schließlich wandte Hasan die Augen ab, und Ahmet schämte sich für ihn
und auch für sich selbst. Seine Schwester ging zur Tür zurück.
    »Ich wollte nur fragen, wann wir zum
Essen gehen sollen.«
    Ahmet war froh, dass sie das leise
gesagt hatte. Nichtsdestotrotz rief er selber laut zurück: »Ins Restaurant? Wie
wär’s mit Mittwoch abend? Ich kann euch abholen!«
    Melek wunderte sich über diese
polternde Art. »Gut!« sagte sie nur und ging dann befremdet hinaus, ohne Ahmet
noch einmal zu umarmen.
    »Deine Schwester, was?«
    »Ja. Sie hätten sie wohl fast nicht
erkannt?« erwiderte Ahmet parodierend.
    »Sie hat sich ganz schön verändert.
Sie ist jetzt so –«
    »Ja, sag’s nur!« Ahmet sah, wie
Hasan ganz ernst wurde. »Ach, du traust dich ja doch nicht! Du warst zwar in
Galatasaray, aber dieses Verdruckte bist du

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