Cevdet und seine Soehne
blassen Gärten, auf Treppen, in
Wohnzimmern, redeten miteinander, als warteten sie auf etwas, und wollten doch
ohne dieses Etwas zu Rande kommen, und halb aufgeregt, halb verschlafen,
wiederholten sie ein wenig ungeduldig immer wieder das gleiche. »Die sind
allesamt nichts wert!« dachte Ahmet. »Wenn selbst Hasan das alles nichts sagt,
warum arbeite ich dann so viel?« Zum Trost sah er sich seine Fußballserie an.
Warteschlangen vor dem Stadion, Köfteverkäufer, begeisterte, anfeuernde Fans,
verschlossene Gesichter von Fußballern. »Ach, mit denen ist doch auch nichts
los! Was soll das alles? Wozu mache ich das? Für wen? Alles schlecht! Grob,
oberflächlich, künstlich, unehrlich, banal! Nichts als schales Abkupfern von
dem, was Goya, Bonnard und danach die Impressionisten schon zigmal gemacht
haben!« Erschrocken versuchte er, wieder zu dem Urteil zurückzufinden, zu dem
er vorhin noch, zu Beginn der Arbeit, gekommen war. »Ja, da haben sie mir noch
gefallen! Da habe ich sie noch nicht alle in Grund und Boden verdammt, sondern
ihre guten und schlechten Seiten abgewogen! Und genauso muss ich jetzt auch
vorgehen!« Er sah sich die Bilder noch einmal eingehend an,
um Unvoreingenommenheit bemüht, doch fand er sie schlichtweg alle furchtbar
gewöhnlich und musste Hasan recht geben. Würde es ihn nicht reuen, seine Zeit
und sein Leben an diese Bilder zu verschwenden? Es geschah nicht oft, dass ihn
solche Gedanken plagten, und auch jetzt wollte er sich gar nicht erst darauf
einlassen. »Wo bleibt denn İlknur?« Es war schon nach sieben. »Die kommt
nicht mehr! Aber warum nicht? Wo ich sie heute so bräuchte!« Verärgert
beschloss er, hinunterzugehen und sie anzurufen.
Er schloss wieder die Tür zur
Wohnung seiner Großmutter auf und ging ins Wohnzimmer. An Nigâns Bett traf er
Osman und die Krankenschwester an. Osman las Zeitung, und die Krankenschwester
erzählte Nigân lebhaft etwas und legte hin und wieder die fahrige Hand der
alten Frau beruhigend auf die Bettdecke.
»Es steht ganz einfach in der
Zeitung!« sagte Osman.
»Wie bitte?«
»Das mit der Armee. Ziya hat das
bloß aus der Zeitung!«
»Da steht es heute, aber Ziya hat es
mir gestern gesagt!« entgegnete Ahmet. Er ging in die Ecke, in der das Telefon
stand.
Osman rutschte in seinem Sessel hin
und her und knurrte: »Gar nichts wird es geben!«
»Was ist denn los?« fragte die
Krankenschwester. »Kommt wieder die Armee ans Ruder?«
Ahmet setzte sich ans Telefon. Ihn
genierte, dass Osman und die Krankenschwester mithören würden. Unentschlossen starrte
er den Hörer an. Noch mehr fürchtete er İlknurs Familie. Er war einmal
dort zu Besuch gewesen und hatte sich nicht gerade willkommen gefühlt. Seither
rief er bei İlknur so selten wie möglich an, und wenn, dann auch nur, wenn
er mit ihr eine bestimmte Zeit ausgemacht hatte und bestimmt sie selbst ans
Telefon gehen würde. Während er noch hin und her überlegte, kam jemand ins
Wohnzimmer. Am Schritt erkannte er Nermin. »Jetzt ist es ganz vorbei!« dachte
er. Nermin war immer sehr neugierig, was er so trieb. »Was soll ich jetzt
machen? Am besten, ich gehe wieder rauf und arbeite! Ich brauche mich nicht als
unverstandener Künstler zu gerieren, ja das darf ich nicht einmal.« Er hörte
Nermins Stimme.
»Wir essen heute nicht bei uns,
sondern unten bei Cemil.«
»Ach so?« sagte Osman.
»Ich habe mir gedacht, ich lade auch
Ahmet ein. Sonst ist er wieder beleidigt und kommt nicht, und dann hungert er
da droben. Ich war gerade bei ihm, aber er ist nicht da.« Osman musste
daraufhin auf Ahmet gedeutet haben, denn Nermin rief: »Ach, hier ist er!« Sie
lächelte Ahmet an, der in seinem Eckchen saß.
Ahmet versuchte so unbeteiligt wie
möglich dreinzuschauen, aber es hatte ja wenig Sinn, so zu tun, als habe er
nichts mitbekommen, also sagte er schließlich: »Ich esse hier. Yılmaz soll mir
was machen!«
»Der hat heute Ausgang. Und die
wollen dich auch wieder mal sehen!«
»Ich kann dir Eier machen, wenn du
willst«, sagte Emine, die gerade hereinkam.
Ahmet sah das Dienstmädchen dankbar
an. »Also esse ich hier!«
In beleidigtem Ton sagte Nermin:
»Also ich bitte dich! Alle essen heute unten. Mine hat ausdrücklich gesagt,
dass du kommen sollst. Du schaust nie bei ihnen vorbei. Was ist denn los mit
dir?«
»Na gut!« lenkte Ahmet ein. »Um
wieviel Uhr?«
»Komm in einer halben Stunde
runter«, sagte Nermin. »Wolltest du telefonieren?«
»Nein, hat sich erledigt«, erwiderte
Ahmet und
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