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Cevdet und seine Soehne

Cevdet und seine Soehne

Titel: Cevdet und seine Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orhan Pamuk
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angestachelt!«
    »Dann komm doch öfter, wenn dir das
so hilft!«
    »Ich brauche so was gar nicht! Du
schon eher, aber du hast ja schon Schwielen auf dem Herzen!«
    Sie lachten. Ahmet dachte: »Alles so
wie immer! Er findet mich zu lahm, aber er mag mich trotzdem. So wie früher.
Ach, früher!« Wehmütig dachte er zurück. Sie kannten sich schon von Galatasaray
her, doch richtig angefreundet hatten sie sich erst nach Ahmets Rückkehr aus
Frankreich. Hasan war drei Jahre jünger als Ahmet. »Das waren noch Zeiten!«
Ahmet gab sich einen Ruck, um nicht rührselig zu werden. Er musterte Hasans
Aufzug. »Mich kann er mit den Stiefeln und dem Parka nicht täuschen: Auch er
ist älter geworden!«
    »Was machst du jetzt so?« fragte
Ahmet.
    »Ich wohne mit meinem Alten
zusammen. Du weißt ja, dass meine Mutter vor sechs Jahren gestorben ist?«
    »Ja! Und, machst du noch
Übersetzungen?«
    »Ja. Ich komme so über die Runden.«
    »Und dein Studium?«
    »Weiß nicht. Ich
gehe gar nicht hin!«
    »Und die werfen dich nicht raus?«
    »Ich darf ewig eingeschrieben
bleiben. Stimmt, du hast ja in Paris studiert und kennst die hiesigen
Gepflogenheiten nicht!«
    Ahmet tat ein wenig beleidigt, aber
er war es gar nicht. Aufziehen konnte man ihn höchstens mit seinem
Malereistudium, nicht aber mit Paris. Er setzte sich Hasan gegenüber und sah
ihm ins Gesicht. Hasan spürte das wohl, aber er wandte den Blick nicht von den
Bildern ab. Er musterte sie ernsthaft, als ob er etwas herausläse. Dann wandte
er sich lächelnd Ahmet zu.
    »Na, wie findest du sie?« fragte
dieser.
    »Ach, weißt du, ich verstehe nichts
von Malerei!«
    »Du bist aber sehr vorsichtig!«
    »Na, du musst reden!« rief Hasan und
stand auf. »Du schimpfst dich doch immer noch unabhängiger Sozialist, oder?«
Hasan selbst war Mitglied der Arbeiterpartei. Er war stolz darauf, so wie er
auch stolz darauf war, dass sein Vater als Lehrer arbeitete.
    »Es gibt jede Menge Sozialisten,
die nicht Mitglied der Arbeiterpartei sind!« sagte Ahmet. »Und die machen
sogar das meiste Getöse.«
    »Ja, Getöse schon, aber nicht das,
was geschehen sollte! Pass auf: Du solltest mich gar nicht vor allem als
Parteimitglied sehen. Ein paar von uns suchen nach einem eigenen Weg zwischen
der Parteilinie und den Abweichlern von der Nationalen Demokratischen
Revolution. Mit diesen Leuten –«
    »Du musst doch immer dein eigenes
Süppchen kochen! Wenn’s hart auf hart geht, verteidigst du nicht mehr die
Partei, sondern dich selber!«
    »Und du bist wohl verbiestert vom
vielen Herumsitzen hier?«
    »Du meinst doch, der Sozialismus würde durch Wahlen
kommen! Und, hast du nicht gesehen, was bei den Wahlen los war?«
    »Hatten wir das nicht schon längst
ausdiskutiert?« fragte Hasan. »Es reicht jetzt damit.«
    »Du machst dich über die
unabhängigen Sozialisten lustig. Ich will aber gerade diese Unabhängigkeit ein
wenig auskosten!«
    »Das machst du doch, seit du auf der
Welt bist! Und findest immer noch Geschmack daran. Aber denkst du nicht, dass
man dafür hin und wieder auch etwas tun sollte?«
Er sagte das nicht, um Ahmet zu verletzen, sondern rein freundschaftlich.
    Betroffen sagte Ahmet: »Ist es denn
so schlimm, wenn ich nichts tue? Mir sagt eben nichts davon zu, was soll ich
machen?«
    »Wenn dir nichts davon zusagt, dann
bring deine Kritik vor!«
    Ahmet dachte: » Auch wieder wahr!«
Er rang um eine Antwort, und alles mögliche ging ihm durch den Sinn.
Schließlich deutete er auf seine Bilder und sagte: »Ich male eben!«
Schuldbewusst lächelnd ging er dann hinüber in die Küche, um nach dem Tee zu
sehen. »Vielleicht wirke ich armselig«, dachte er. »Aber Hasan ist ein guter
Kerl und denkt nichts Schlechtes über mich.« Als er zurückkam, sah er Hasan
wieder die Bilder mustern.
    »Na, was sagst du dazu?«
    »Wozu?«
    »Na komm schon, zu den Bildern! Du
schaust und schaust und tust keinen Mucks!«
    »Na ja, da steckt bestimmt was
dahinter, aber ich verstehe eben nichts davon!«
    Es durchfuhr Ahmet kurz, aber dann beruhigte
er sich wieder. »Hasan meint es ja gut«, dachte er. »Wären jetzt Metin oder
Sacit hier, dann würden sie gleich wieder von Kapitulation schwadronieren und
von mangelndem Vertrauen in die Volksmassen!«
    »Sag doch irgendwas dazu! Was kommt
dir so in den Sinn?«
    »Was weiß ich? Dass du dir eben was
denkst dabei. Aber das ist mir zu hoch, diese Feinheiten!« Hasan sah Ahmet an,
dass er doch irgendwie Stellung beziehen musste. »Ich weiß irgendwie nicht,

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