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Cevdet und seine Soehne

Cevdet und seine Soehne

Titel: Cevdet und seine Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orhan Pamuk
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nicht losgeworden!«
    »Jetzt hör doch auf mit deinem
Galatasaray!« rief Hasan lachend. Er stand auf. »Ich geh dann mal! Wir sind uns
ja mehr oder weniger einig, oder? Wir stehen zwar noch ganz am Anfang, aber
wenn sich um diese Zeitschrift herum etwas tut, dann kann sich allerlei ändern
in der Türkei!«
    Ahmet nickte und dachte: » Ich muss
es ihm doch sagen mit dem Putsch!«
    »Das ist ja auch leicht begreiflich
bei den vielen Leuten, die an beiden Gruppen was auszusetzen haben und auf eine
neue Bewegung geradezu warten. Mit einer guten Zeitschrift können wir diese
Kräfte bündeln. So wie Lenin das in Was tun? erläutert hat …«
    Ahmet hätte am liebsten »Was tun?
Was tun?« geantwortet, aber er hielt sich zurück, um Hasan nicht zu ärgern.
    »Zugegeben, das ist wirklich erst
ein Anfang, aber wenn wir den bewältigen, dann wird da was draus. Wie bei Was
tun? kommt wahrscheinlich eine Partei heraus. Ich wollte dir eben jetzt
schon Bescheid sagen und nicht erst, wenn alles schon läuft.«
    »Ist jemand dabei, den ich kenne?«
fragte Ahmet.
    Ernst fragte Hasan zurück: »Warum
willst du das wissen?« Dann sagte er beschwichtigend: »Entschuldige! Aber ich
spiele ja selber bei der Sache nur eine Nebenrolle!«
    Ahmet versuchte sich seine
Gekränktheit nicht anmerken zu lassen.
    Hasan sagte: »Ich muss ja wohl nicht
extra betonen, dass du das, was wir hier beredet haben, niemandem
weitererzählen sollst!«
    Wieder hätte Ahmet am liebsten
Kontra gegeben, sagte dann aber irgendwie schuldbewusst: »Ich sehe doch sowieso
keinen Menschen!«
    Hasan ging zur Tür. »Das ist gar
nicht gut. Geh doch ein bisschen raus. Schau, wenn das klappt mit der
Zeitschrift, wirst du viel unter Leute kommen, also gewöhn dich schon mal dran.
Wie heißt es doch bei Nâzım
Hikmet?«
    Ahmet fiel nichts Gemeines ein, also
schaute er nur böse.
    »Es heißt bei ihm: Was du suchst, ist
nicht in deinem Zimmer, sondern draußen.«
    »Das ist kein Zimmer hier, sondern
ein Atelier!« sagte Ahmet, aber das schien ihm ungenügend. Nervös steckte er
die Hände in die Taschen. »Es kommt ein Putsch! Ich weiß es aus sicherer
Quelle!«
    »Vom Geheimdienst? War nur ein
Scherz! Na sag schon, von wem denn?«
    Ahmet wollte nicht sagen »Von einem
Cousin meines Vaters«, das erschien ihm zu lächerlich. »Von einem entfernten
Verwandten, einem pensionierten Oberst! Ein seltsamer Mensch!« Fürsorglich
fügte er dann hinzu: »Sag es auch den anderen!«
    »Wir organisieren sowieso bald eine
Woche gegen den Faschismus«, sagte Hasan. »Aber wird es nicht eher ein linker
Putsch?«
    »Ja, so wie mit Torres in Bolivien!
Hast du heute schon Zeitung gelesen?«
    Hasan nickte. Lächelnd blickten sie
sich an. Auch Hasan hatte die Hände in die Taschen gesteckt. Ahmet war auf
einmal ganz ergriffen.
    »Komm, gehen wir ins Kino!« sagte Hasan.
    »Nein, ich habe keine Zeit!« wehrte
Ahmet ab. Ihm fiel wieder İlknur
ein. »Wo die bloß steckt?«
    »Du bist ja so was von häuslich!«
sagte Hasan. »Du bist zwar recht stolz darauf, dass du nicht geheiratet hast
und kein geregeltes Familienleben führst, aber das nutzt dem Proletariat nicht
das geringste, lass dir das bloß gesagt sein!«
    »Das weiß ich doch!« erwiderte
Ahmet. »Obwohl: Was ist mit meinen Bildern?«
    »Davon verstehe ich nichts!«
    »Na gut.«
    Hasan machte die Tür auf und trat in
den Hausgang hinaus. »Ich mache dann mal, dass ich wegkomme aus diesem Nişantaşıschmutz!
«
    »Was meinst du zu der Sache mit dem
Putsch?« fragte Ahmet. Nach Bestätigung heischend, setzte er hinzu: »Wird
wahrscheinlich sowieso nichts draus, was? Typisch Türkei eben. Die legen los,
eine Woche lang gibt es den höchsten Aufruhr, und danach schläft alles wieder
ein, und es ist wie vorher. Was meinst du?«
    »Ich weiß nicht …« Auch Hasan
schien gerührt zu sein. »Na dann, mach’s gut!« Er küsste Ahmet auf die Wange.
    »Komm doch auch mal, wenn du nichts
von mir willst!«
    »Ich wollte ja wegen dir, dass das
mit der Zeitschrift klappt!« sagte Hasan. Um sich von seinen Gefühlen nicht
überwältigen zu lassen, versetzte er Ahmet nur noch einen Knuff und verschwand
im Treppenhaus.

5
  DAS TELEFON
    Ahmet ging von Bild zu Bild. »Mit denen soll
keine Revolution zu machen sein? Warum bin ich ihm nicht übers Maul gefahren?«
Auf den Bildern waren alte Kaufleute, Hausfrauen, vornehme Mädchen, junge
Burschen, Diener, Herren, allesamt im gleichen Halbdunkel von den immer
gleichen Sachen umgeben; sie standen in

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