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Cevdet und seine Soehne

Cevdet und seine Soehne

Titel: Cevdet und seine Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orhan Pamuk
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sagte
Muhittin, stand aber doch auf. Auch er schien gerührt zu sein. Sie umarmten
sich und küssten sich dann lachend auf die Wange.
    Refık war auch irgendwie ergriffen.
Obwohl er mit hätte aufstehen sollen, blieb er sitzen. Ihm schwirrte noch im
Kopf herum, was er zuvor gesagt hatte, und verlegen fragte er sich, was seine
Freunde wohl von Perihan hielten.
    »Wie damals zu Studentenzeiten!«
rief Ömer.
    Nun stand Refık doch auf.
»Wisst ihr noch, wie wir in Materialkunde mal –« Er sah, wie seine Freunde den
Kopf zur Tür wandten, und drehte sich um. »Ach, Papa!«
    Auch Cevdet war überrascht. Er trug
einen blaugestreiften Schlafanzug und eine lange Jacke darüber. Erst hatte er
sich wohl gar nicht zeigen wollen, aber dann hatte er gemerkt, dass das nicht
möglich war. Eigentlich freute er sich ja, zu jener nachtschlafenden Zeit noch
etwas Unterhaltung zu finden. Gemessenen Schrittes ging er auf seinen Sessel
zu.
    »Guten Abend, die jungen
Herrschaften! Tja, ich konnte nicht schlafen.«
    »Waren wir zu laut?« erkundigte sich
Ömer.
    »Nein, nein. Es ist das Alter! Und
mein Magen rumort ein wenig. Muss zuviel gegessen haben.« Verschämt setzte er
hinzu: »Jetzt stehe ich da im Schlafanzug.«
    »Steht Ihnen ausgezeichnet!« rief
Muhittin verschmitzt.
    »Worüber habt ihr denn geredet?«
fragte Cevdet und schielte dabei zu seinem geliebten Sessel hinüber. »Na, raus
mit der Sprache!«
    »Na ja, darüber, was man mit seinem Leben
anfangen soll«, sagte Ömer.
    »Schau, schau! Und was soll man
damit anfangen?«
    »Wir sind noch zu keinem Schluss
gekommen.«
    »Was gibt es da zu überlegen? Man
soll arbeiten, lieben, essen, trinken, lachen!«
    »Aber mit was für einem Ziel? Darum ging
es uns.«
    Cevdet hielt sich die Hand ans Ohr.
»Mit was für einem Ziel?«
    Refık sagte: »Na ja, du weißt schon, Papa,
worauf alles hinauslaufen soll, das meinen sie.«
    »So, meinen sie das«, sagte Cevdet
grimmig. »Aber du mischst dich da hoffentlich nicht ein. Du bist verheiratet,
also weißt du, was du für ein Ziel hast. Deine Familie und deine Arbeit. Und
worüber habt ihr sonst noch geredet?«
    »Ich habe von Sait Nedim erzählt«,
fiel Ömer ein. »Sie kennen doch seinen Vater, Nedim Paşa. Und Ihre
Hochzeit soll sogar in dem Konak von –«
    »Schon gut, schon gut«, unterbrach
ihn Cevdet etwas verärgert. »Ja, das war in seinem Konak. Refık, sei doch
so gut und bring mir Obst aus der Küche. Schäl mir eine Orange!«
    »Ich habe Sait Nedim im Zug
getroffen.«
    »Lass mal gut sein mit dem. Sag mir
lieber, ob du Arbeit gefunden hast! Das solltest du nämlich schleunigst. Und
eine Frau. So gut, wie du aussiehst. Außerdem bist du nicht
dumm und hast studiert. Ja, eine gute Arbeit und eine gute Frau. Da habt ihr
eure Antwort. Darauf kommt es an im Leben.«
    Refık ging in die Küche
hinüber.

7
  VOR DEM AUFBRUCH
    Ömer stand von seinem Mittagsschlaf auf
und sah auf die Uhr. »Mein Gott, habe ich lange geschlafen! Ich komme noch zu spät
zu Nazli!« Er stieg die Treppe hinunter. Der Garten hinter dem Konak war von
einer zauberhaften Frühlingssonne beschienen. Weiter hinten sah man das Meer;
an Bakırköy fuhr ein Schleppkahn vorbei. »Ich werde nach Kemah gehen!« Er
hatte nun endgültig beschlossen, an der Eisenbahnlinie Sivas-Erzurum zu
arbeiten, und mit einer Firma einen Vertrag abgeschlossen, dem zufolge er am
Tunnelbau zwischen Kemah und Erzincan mitwirken und zusätzlich einen Teil des
dafür notwendigen Kapitals beschaffen würde. Fürs erste hatte er genug Geld,
doch um später seinen Verpflichtungen nachzukommen, würde er das Haus, das er
zusammen mit Cemile besaß, das Grundstück daneben und einen Laden im Großen
Basar verkaufen müssen. All dies war nun mit Cemile zu besprechen.
    Sein Onkel, der im Salon mit einem
Nachbarn Karten spielte, sagte beim Anblick von Ömer: »Na, wieder wach?«, und
dann zum Nachbarn: »Aha, du verdoppelst also!«
    Die Tante saß strickend am Fenster
und sagte gleichfalls: »Wieder wach?«
    »Ich muss gleich weg, bin schon spät
dran«, sagte Ömer, und gähnend dachte er, dass er doch sehr aufpassen musste,
um sich von dieser schläfrigen Atmosphäre nicht anstecken zu lassen.
    »Fährst du zu Cemile?« fragte die
Tante.
    »Ja, wegen dem Haus und dem
Grundstück.«
    »Sonst hat sich dein Onkel um all
das gekümmert. Na ja, richte ihr einen schönen Gruß von mir aus. Wie ist denn
ihre Nichte? Und wie heißt sie noch mal?«
    »Nazli! Also, Tantchen, ich muss
dann. Bis heute

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