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Cevdet und seine Soehne

Cevdet und seine Soehne

Titel: Cevdet und seine Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orhan Pamuk
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kommen
würde, wie er es erhoffte. Lächelnd erwiderte er: »Das also hältst du von
diesem Haus! Und du, Muhittin?« Der sollte auch gleich mit einbezogen werden.
    »Na, du weißt ja, dass mir dieses
Haus noch nie gefallen hat!«
    Nunmehr war Refık sicher, dass
es gleich richtig losgehen würde. »Das weiß ich in der Tat. Was gefällt dir denn
überhaupt außer deinen Gedichten?«
    »Frauen, Spaß, Intelligenz …«
    Ömer setzte sich ihm gegenüber. »Und
das Demonstrieren deiner Intelligenz! Wann kommt denn jetzt dein Buch heraus?«
    »Warum fragst du ständig danach?
Bald.«
    »Und was machst du sonst so?«
    »Na ja, meine Ingenieursarbeit.
Kostet mich wahnsinnig viel Zeit. Ich komme immer hundemüde nach Hause. Abends
gehe ich manchmal nach Beyoğlu rauf. Und in ein paar Kneipen in Beşiktaş habe ich Kumpel. Zu Hause schreibe ich dann
meine Gedichte. Das reicht mir!«
    »Ob ich mal was finde, was mir
reicht?« fragte Ömer.
    »Jetzt ist also unser Muhittin
Dichter und Ingenieur!« sagte Refık. »Du hast dich immer mit Dostojewski
verglichen, weißt du das noch? Weil der auch Ingenieur war …«
    »Nein, weil er auch so was
Teuflisches an sich hatte!« versetzte Omer.
    Muhittin lachte. Er mochte es, wenn
es um ihn und seine Eigenarten ging.
    Um ihn noch mehr zu erfreuen, sagte
Refık: »Und dann hast du noch behauptet, du würdest eines Tages blind werden!
Und vor allem natürlich, dass du dich umbringen würdest, falls du mit Dreißig
noch kein guter Dichter sein solltest!«
    »Stimmt schon, ich habe damals
gesagt, was mir einfach so eingefallen ist, aber das eine kannst du mir
glauben: Das mit dem Dichtersein und dem Umbringen, das ist mein Ernst!«
    Ömer lachte schallend.
    Muhittin sah ihn gleichmütig an, wie
jemand, der sich einer Behauptung so sicher ist, dass er es gar nicht nötig
hat, sie zu beweisen. »Lach du nur!«
    Es ließ sich alles ganz nach Refıks
Geschmack an. Er holte die Teegläser aus dem Schrank, stellte die Zuckerdose
auf den Tisch, kümmerte sich um den Samowar; an nichts sollte es fehlen.
    »Was ist mit Alkohol?« fragte Ömer.
    »Wir haben doch nichts im Haus! Bloß
den Erdbeerlikör meines Vaters, von dem er an Feiertagen nippt.«
    »Na, dann lass mal!« Ömer fragte
Muhittin: »Trinkst du eigentlich?«
    »Ab und zu.«
    Refık warf ein: »Neulich ist er
mal zu mir gekommen, im September, glaube ich, war’s, da hatte er ganz schön
geladen!«
    »Man muss ja auch trinken«, sagte
Ömer.
    »Und warum?«
    »Weil man einfach trinken muss! Hm,
der Tee riecht gut! Aber Alkohol bringt einem mehr.«
    »Ab jetzt holt sich jeder seinen Tee
selbst«, verkündete Refık.
    »Und was bringt er einem?« fragte Muhittin.
    »Na, ich erklär’s euch mal.« Ömer
sah drein, als wollte er sagen: Ich wasche meine Hände in Unschuld! »Man muss
trinken, weil einen der Alkohol über das Alltagsleben hinaushebt. Weil er einem
hilft, alles Oberflächliche abzuschütteln!« Er stand auf in seinem Eifer. »Wie
grässlich das gewöhnliche Leben ist, begreift man erst durch den Alkohol!«
    »Was ist denn in dich gefahren?«
fragte Muhittin. »Setz dich wieder hin!«
    Refık sagte: »Ich habe dir
schon am Bayram gesagt, dass du komisch bist.«
    »Mit mir ist einiges los! Ich habe
viel gelernt in Europa. Ich kann nicht mehr indolent dahinleben und mich mit
Brosamen begnügen. Ich habe in Europa gelernt … dass ich ein Leben habe und
dass ich dann sterben werde!«
    »Und das wusstest du vorher nicht?«
sagte Muhittin lachend.
    Ömer ging auf den Esstisch zu und blieb abrupt stehen.
»Nein, ich habe es erst lernen müssen. Ich habe
Dinge lernen müssen, die du hier verspottest, ohne eine Ahnung zu haben. Man
muss etwas anfangen mit seinem Leben. Es mit etwas füllen. Über alles Bisherige
hinausgehen. Etwas tun. Und das Getane die anderen dann auch wissen lassen. Ich
will kein gewöhnliches Leben mehr!«
    »Was sollte dann dein höhnisches
Lachen vorhin, als ich vom Umbringen sprach?«
    »Hm! Versteh mich da nicht falsch,
aber … Ob es das wert ist, wenn es ums Dichten geht?«
    »Das ist es also nicht wert, was?«
    Ömer drehte den Hahn des Samowars
auf, der nun auf dem Esstisch stand. »Nein, ist es nicht! Zumindest meiner
Ansicht nach …«
    »Na, dann möchte ich aber gerne erfahren,
was du vorhast!« rief Muhittin, der wieder auf dem Sessel herumtrommelte.
    »Ich werde nach Sivas gehen und dort
Geld verdienen!« Ömer schrie das fast hinaus. »Ja, Geld verdienen! Und mit
diesem Geld werde ich mir alles

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