Cevdet und seine Soehne
zurück.
Sie war es nicht gewohnt, dass Refık sie das fragte.
»Na erzähl schon!«
»Also, am Vormittag sind wir
spazierengegangen. Frische Luft schnappen. Es war so herrliches Wetter! Bis zu
dem Kaffeehaus bei Topağacı
sind wir gegangen!«
Sie sah ihrem Mann forschend ins Gesicht.
Der schien ihr wahrhaftig ganz einfach lauschen zu wollen.
»Erzähl mir alle Einzelheiten!«
»Na gut. Als du heute morgen weg
bist, haben wir uns zuerst in den Garten gesetzt, deine Mutter, Nermin und ich.
Wir haben gefrühstückt und ein bisschen geplaudert.«
»Worüber denn?«
»Ach, über dieses und jenes. Zuerst
über den Garten. Dass die Kastanienbäume jetzt schon so hoch sind. Deine Mutter
hat uns gesagt, wie klein sie noch waren, als sie hier eingezogen ist. Vor
dreißig Jahren. Wie hoch wird ein Kastanienbaum eigentlich? Na, über so was
haben wir geredet. Auch dass der Garten ziemlich ungepflegt wirkt. Aziz scheint
kaum noch vorbeizukommen. Deine Mutter hat ziemlich über ihn geschimpft und
gesagt, dass er es niemals schaffen wird, den Garten auf Vordermann zu bringen,
und dass er sich überhaupt viel mehr um seinen neuen Gemüseladen kümmert als um
den Garten, so dass wir eigentlich einen neuen Gärtner bräuchten, aber dann
waren wir uns doch ziemlich einig, dass Aziz im Grunde der beste ist. Beim Tee
hat deine Mutter gestrickt und Nermin Zeitung gelesen. Ich habe deiner Mutter
geholfen; die Maschen gezählt und das Gestrickte anprobiert. Dann haben wir
beschlossen, um elf Uhr nach Topağacı zu gehen. Vorher habe ich hier
noch ein bisschen aufgeräumt und die Betten gemacht. Vor lauter Langeweile habe
ich in den Garten hinausgeschaut. Nermin hat eine Freundin angerufen, und
zuerst wollte ich das auch tun, aber bei keiner hatte ich so richtig Lust dazu.
Soll ich noch weitererzählen?«
»Jaja!«
»Als Nermin telefoniert hat, bin ich
nach unten gegangen, in das Perlmuttzimmer. Dort habe ich ein bisschen auf
Ayşes Klavier herumgeklimpert. Du weißt ja, wie sehr es mich reut, dass
ich mit dem Klavierspielen aufgehört habe. Dann bin ich im vorderen Garten herumgegangen,
und um elf haben wir uns vor der Tür getroffen. Es ist eine ziemliche
Zeremonie, wenn deine Mutter aus dem Haus geht. Ewig steht sie im Eingang vor
dem großen Spiegel. Nermin hat ihr gesagt, sie solle sich warm anziehen, aber
das tut sie ja sowieso immer. Dann sind wir losgegangen, und deine Mutter hat
wieder erzählt, wie es früher in Nişantaşı so war, also wer
damals wo gewohnt hat und wem welcher Garten gehörte, solche Sachen eben. War
aber ganz lustig. Nermin hat auch ein bisschen erzählt, wie sie als Kind im Hof
der Moschee und in einem Garten hier in der Nähe spielte. Gegenüber der
Polizeiwache sind wir dann die Straße hinuntergegangen, und wie wir so reden
und reden, stehen wir plötzlich schon vor dem Kaffeehaus. Wir haben uns an
unseren Stammplatz gesetzt. Nermin und deine Mutter haben Tee bestellt, ich
Limonade. Dazu haben wir Kichererbsen geknabbert. Im Kaffeehaus haben wir dann
gar nicht mehr viel geredet, vor allem ich nicht. Wir haben zu dem kleinen
Fluss hinuntergeschaut. Auf dem Rückweg hat deine Mutter dann von Ibrahim
Paşa erzählt und wie der verrückt geworden ist. Wir sind nämlich an seinem
Konak vorbeigekommen. Ich wusste gar nichts von der Geschichte. Muss schon sehr
komisch gewesen sein. Und einer seiner Enkel soll nach Amerika gegangen und
Christ geworden sein. Dann haben wir einen alten Mann gesehen, der mit seinem
Diener spazierengegangen ist, Seyfı
Paşa hieß er; deine Mutter hat ihm die Hand geküsst, und sie haben sich
ein wenig unterhalten. In Teşvikiye ist unterhalb der Moschee eine neue
Baustelle, die wollte deine Mutter sehen, also sind wir da hin. Zu Mittag haben
wir dann Köfte und Auberginenragout gegessen; von den Auberginen ist zum
Abendessen noch etwas da. Nach dem Essen hat Leyla angerufen und lange mit
deiner Mutter geredet … Aber du hörst mir ja gar nicht zu!«
»Und ob ich dir zuhöre!«
»Es gibt sowieso nicht mehr viel zu
berichten. Nach dem Essen habe ich ein bisschen geschlafen, und um drei Uhr bin
ich dann mit deiner Mutter nach Beyoğlu hinauf. Wir haben uns in den
Geschäften umgeschaut, aber nichts gefunden. Dann haben wir Ayşe abgeholt und uns mit Leyla bei Lebon
getroffen. Tja, und dann hat dieser Regen angefangen …«
Sie saß mit gesenktem Kopf da und
starrte in eine Schublade, die sie beim Reden mechanisch geöffnet hatte. Auch
Refık scheute sich, Perihan anzusehen.
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