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Cevdet und seine Soehne

Cevdet und seine Soehne

Titel: Cevdet und seine Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orhan Pamuk
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auch diesen hier wieder wegzuwerfen. Also! Tu, was Du für richtig hältst,
aber schreib mir bitte bald zurück! Vergiss auch nicht, wie jedesmal Deiner
Tante schöne Grüße von mir zu bestellen.
    Omer
    Sie las den Brief noch einmal. Beim
zweitenmal versuchte sie sich vorzustellen, wie Ömer dagesessen hatte, als er
diesen Brief schrieb. »Was soll ich jetzt machen?« Sie war über den Brief
keineswegs erschrocken, zu ihrer eigenen Überraschung. Sie lehnte sich zurück
auf ihr Kopfkissen. »Ich werde ihn wohl heiraten!« murmelte sie. Als sie auch
vor diesem Gedanken nicht zurückschreckte, kam ihr das schon ein wenig
sonderbar vor. Wie konnte sie sich nur so schnell darauf einlassen?
    »Na, weil er mir schon immer
gefallen hat! Das war mir schon klar, als er beim Opferfest zu Besuch bei uns
war.« Aber das war eine zu einfache, abgegriffene Erklärung, die vor ihr selber
nicht Bestand hatte. »Nun, er ist intelligent, ehrgeizig, natürlich,
gutaussehend …« begann sie für sich aufzuzählen, mit wachsender Erregung. Es
erfüllte sie ein gewisser Stolz, dass jemand mit all diesen Qualitäten sich
gerade für sie interessieren konnte. »Was wird nur Papa dazu sagen?« Ihr Vater
hatte sich über Ömer noch nie geäußert. Lediglich einmal, als sie in Ankara bei
ihrem Vater war, hatte dieser ihr einen Brief von Ömer hinauf in ihr Zimmer
gebracht, und es hatte dabei ein Schatten auf seinem Gesicht gelegen. »Und wenn
meine Mutter noch lebte, was würde die sagen?« Sie stellte sich vor, dass ihre
Mutter sie anlächeln und ihr raten würde, sich die Sache gut zu überlegen. Und
sie würde ihr wohl sagen, sie dürfe sich glücklich preisen, keine arrangierte
Ehe eingehen zu müssen. Daraufhin würde ihr Vater wie üblich die Reformer loben
und darauf verweisen, was er selbst als Gouverneur von Manisa alles geleistet
habe. »Was geht mir da bloß durch den Kopf!« schalt sie sich selbst. Sie zog
die Beine an den Bauch und kauerte sich so eng zusammen wie nur möglich.
»Liebe!« Das war ein geradezu peinliches Wort, das innerhalb der Familie keiner
je aussprach, und wenn ein Fremder es einmal tat, dann ignorierte man es
einfach. Es liebten sich in der Familie alle gegenseitig, aber jenes Wort war
ihnen nicht geheuer. Bei seinem fatalen Klang musste Nazli an die Romane
denken, die sie allein auf ihrem Zimmer las, an die Kussszenen in manchen
Filmen, die sie peinlich berührten, und an gewisse verachtenswerte Frauen. Sie
versuchte all das zu verdrängen und sprach das Wort in vollem Bewusstsein aus.
Sie musste über sich staunen. Dann kam auch schon der erste Gedanke an die
Hochzeit selbst, über die in der Manisa-Post wohl ausführlich berichtet
würde. »Was sie wohl über Ömer schreiben?« überlegte sie. »Der junge
Bauingenieur hat nach seinem Studium in Europa …« Sie schämte sich dieser
Gedanken. Auch ihre Kommilitoninnen würden sich äußern: »Netter Kerl«,
»Ingenieur, sieht gut aus« … Wieder einmal kam sie zu dem Schluss, dass die
meisten von ihnen Hohlköpfe waren. »An die Unversität gehe ich dann auch nicht mehr!
Die Atmosphäre dort und die nichtssagenden Kurse gefallen mir sowieso nicht.
Tja, aber was gefällt mir dann? Ich möchte kluge, glückliche Leute um mich
herum haben! Und er ist so jemand. Deshalb glaube ich, dass er mir ein Leben bieten
kann, wie ich es mir wünsche. Am besten, ich schreibe ihm gleich, sonst fängt
er noch mit dem Trinken an!« Als sie vom Bett aufstand, kam ihr in den Sinn,
den Schrank zu öffnen, um sich in dem Spiegel darin anzusehen. Sie wusste
selbst nicht so recht, weshalb sie das tat, aber als sie dann ihr Spiegelbild
sah, erschien es ihr gesund und fröhlich. »Wie einfach!« dachte sie.

11
  EIN SONNTAG IN BEŞİKTAŞ
    »Ist das nicht verrückt, dass Ömer heiratet?« rief
Muhittin aus.
    »Warum?« fragte Refık verständnislos zurück.
    Muhittin dachte: »Stimmt, wie soll
ich dem das erklären? Der hat ja auch aus freien Stücken geheiratet. Wie soll
man einem von Tag zu Tag biederer werdenden glücklichen Ehemann so etwas
klarmachen?« Er lugte zu Perihan hinüber, die neben Refık saß.
    »Also, warum ist das so verrückt?«
wiederholte Refık.
    Sie saßen in einem Kaffeehaus an der
Anlegestelle von Bşiktaş und tranken Tee. Es war der
erste Sonntag des Jahres 1937. Wegen des ausnehmend schönen Wetters hatte der Wirt
draußen Tische aufgestellt. Am Nebentisch las ein Herr mit Glatze in seiner
Zeitung, die übrigen Gäste waren bürgerliche

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