Chalions Fluch
geht es Euch heute?«
»Heute Nachmittag besser als heute Morgen.« Ein wenig widerstrebend fügte er hinzu: »Besser als gestern.«
»Habt Ihr etwas gegessen?«
»Bisher nicht. Später, vielleicht.« Er strich sich über den Bart. »Was gibt’s sonst Neues?«
Umegat lehnte sich zurück und zuckte die Achseln. »Nachdem Kanzler dy Jironal in der Stadt keine geeigneten Verdächtigen gefunden hat, ist er aus Cardegoss fortgeritten, um den Leichnam des Mörders seines Bruders zu finden – und sämtliche Helfershelfer, die vielleicht noch am Leben sein mögen.«
»Ich hoffe, er wird nicht fälschlicherweise einen Unschuldigen ergreifen.«
»Ein erfahrener Ermittler der Kirche begleitet ihn. Das sollte derartige Irrtümer verhindern. Außerdem hat eine Gruppe aus dem Ritterorden der Tochter berittene Boten zu sämtlichen Kapitelherrn geschickt und sie zu einem Generalkapitel einberufen. Sie wollen nicht zulassen, dass König Orico ihnen einen weiteren Befehlshaber wie Dondo aufzwingt.«
»Wie wollen sie ihn daran hindern? Durch einen Aufstand?«
Umegat wies diesen verräterischen Vorschlag rasch zurück. »Gewiss nicht. Durch eine Bittschrift. Einen Antrag.«
»Hm. Ich dachte, sie hätten sich schon beim letzten Mal beschwert, doch ohne Erfolg. Dy Jironal will sich die Kontrolle über diesen Orden bestimmt nicht durch die Hände gleiten lassen.«
»Dieses Mal wird der Ritterorden von der gesamten Kirche der Tochter unterstützt.«
»Und was habt Ihr heute so getrieben?«
»Ich habe um Führung gebetet.«
»Und habt Ihr eine Antwort erhalten?«
Umegat schenkte ihm ein zweideutiges Lächeln. »Vielleicht.«
Cazaril dachte eine Weile darüber nach, wie er seine nächste Bemerkung am besten formulieren sollte: »Ihr hattet doch letztens Gelegenheit, einem aufschlussreichen Gespräch zu lauschen. Ich nehme mal an, dass es inzwischen eine überflüssige Mühe für mich ist, hinunter zum Tempel zu gehen und bei Erzprälat Mendenal ein Geständnis über den Mord an Dondo abzulegen …?«
Umegat runzelte die Stirn. »Es sollte mich wohl nicht überraschen«, sagte er nach einer Weile, »dass die Frühlingsherrin sich ein scharfes Werkzeug ausgewählt hat.«
»Ihr seid Geistlicher, ein ausgebildeter Ermittler. Ich bin nicht davon ausgegangen, dass Ihr von Euren Eiden und Regeln abweichen könnt – oder wollt. Ihr habt mich erst einmal ruhig gestellt, um Zeit zu gewinnen, Bericht zu erstatten und zu beraten.« Cazaril zögerte. »Dass ich bislang noch nicht festgenommen wurde, sollte mir irgendetwas sagen … über den Ausgang dieser Beratungen. Ich weiß nur nicht, was.«
Umegat musterte seine Hände, die auf seinen Knien lagen. »Als Geistlicher beuge ich mich dem Willen meiner Vorgesetzten. Als Heiliger muss ich meinem Gott Rede und Antwort stehen – keinem anderen. Wenn Er sich auf mein Urteil verlässt, muss ich es notgedrungen auch. Und ebenso meine Vorgesetzten.« Er sah auf, und nun war sein Blick von einer beunruhigenden Offenheit. »Dass die Göttin Euch auf eine Reise in ihrem Auftrag geschickt hat, wird schon deshalb deutlich, weil sie Euer Leben vorerst bewahrt hat. Die Kirche ist nicht Euch zu Diensten, sondern Ihr der Kirche. Ich kann Euch zusichern, dass niemand Euch in die Quere kommt.«
»Aber was soll ich tun?«, jammerte Cazaril.
Umegats Stimme klang beinahe entschuldigend: »Aus meiner eigenen Erfahrung würde ich sagen, dass Ihr einfach Euren täglichen Pflichten nachkommt.«
»Das ist nicht sonderlich hilfreich.«
»Ich weiß.« Umegat verzog die Lippen zu einem trockenen Lächeln. »So lehren die Götter den Möchtegern-Weisen Bescheidenheit.« Er hielt kurz inne. »Wo wir von täglichen Pflichten reden – ich muss nun zu den meinen zurück. Orico fühlt sich heute nicht wohl. Besucht die Menagerie, wann immer Ihr Euch dazu veranlasst fühlt, Lord dy Cazaril.«
»Wartet …« Cazaril streckte eine Hand aus, als Umegat aufstand. »Könnt Ihr mir sagen … Weiß O rico von dem Wunder dieser Menagerie? Versteht er … weiß er überhaupt, dass ein Fluch auf ihm lastet? Ich schwöre Euch, Iselle weiß nichts davon, und Teidez ebenso wenig.« Königin Ista hingegen … »O der weiß der König einfach nur, dass er sich durch den Umgang mit den Tieren besser fühlt?«
Umegat nickte. »Orico weiß Bescheid. Sein Vater Ias erzählte es ihm auf seinem Totenbett. Die Kirche hat viele geheime Anstrengungen unternommen, diesen Fluch zu brechen. Die Menagerie ist das bislang einzige Mittel,
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