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Chalions Fluch

Chalions Fluch

Titel: Chalions Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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bestätigt werden können: Mein Fall ist keine so bedeutsame Angelegenheit, dass sie einen großen Herren stürzen könnte. Nicht wie der Verrat von Lord dy Lutez.«
    »Dafür gab es niemals Beweise, nicht einmal damals«, murmelte dy Yarrin.
    »Was ist denn eine bedeutsame Angelegenheit?«, warf Palli ein. »Ich glaube nicht, dass die Götter Größe nach denselben Maßstäben messen wie Menschen. Ich für meinen Teil finde die beiläufige Zerstörung des Lebens eines Menschen sehr viel abstoßender, als wenn es mit Entschlossenheit geschieht.«
    Der benommene Cazaril stützte sich auf der Tischplatte ab, damit er in diesem dramatischen Augenblick nicht zusammenbrach. Palli hatte darauf bestanden, dass seine Stimme bei dieser Beratung Beachtung finden würde. Nun gut – aber dann sollte es eine Stimme sein, die zur Zurückhaltung mahnte: »Wenn ihr einen Großmeister für euren eigenen Orden wählt, liegt es gewiss innerhalb eures Mandats, edle Herren. Orico mag eurer Wahl sogar zustimmen, wenn ihr ihm ein wenig entgegenkommt. Den Kanzler von Chalion und Großmeister eures Bruderordens herauszufordern geht allerdings weit darüber hinaus. Ich glaube, dass Orico niemals dazu bewogen werden kann, dies zu unterstützen. Ich rate davon ab.«
    »Es geht um alles oder nichts«, warf ein Mann ein, und ein anderer rief: »Niemals werden wir einen weiteren Dondo dulden!«
    Dy Yarrin hob die Hand und brachte die hitzigen Einwürfe zum Verstummen. »Ich danke Euch, Lord Cazaril, für Eure Aussage wie für Eure Meinung. Wir müssen diese Beratung nun in vertraulicher Abgeschiedenheit fortsetzen.«
    Es war eine Entlassung. Palli schob seinen Stuhl zurück, stand auf und ging mit Cazaril hinaus auf den Flur zu den wartenden dy Guras. Cazaril war ein wenig überrascht, als Pallis Eskorte nicht an den Pforten des Hauses zurückblieb. »Solltest du nicht wieder zur Versammlung?«, fragte er, als sie in eine Straße einbogen.
    »Dy Yarrin wird mich über alles in Kenntnis setzen, sobald ich zurückkomme. Ich möchte sichergehen, dass du die Tore des Zangre unbeschadet erreichst. Ich habe nicht vergessen, was du mir von dem unglücklichen dy Sanda berichtet hast.«
    Cazaril blickte über die Schulter auf die beiden jungen Ritter, die hinter ihnen einherschritten, während sie den Tempelplatz überquerten. Oh. Die bewaffnete Eskorte galt ihm. Er beschloss, sich nicht zu beklagen. Stattdessen fragte er Palli: »Was denkst du? Wenn ihr Orico einen Kandidaten für den Posten des Großmeister vorschlagt, wer wird es wohl sein? Dy Yarrin?«
    »Er wäre jedenfalls meine Wahl«, entgegnete Palli.
    »Er scheint zumindest einigen Einfluss in eurem Rat zu genießen. Ist da vielleicht ein wenig Eigennutz im Spiel?«
    »Vielleicht. Aber er möchte das Herzogtum von Yarrin seinem ältesten Sohn übergeben und seine gesamte Aufmerksamkeit dem Orden widmen, wenn er gewählt wird.«
    »Aha. Hätte Martou dy Jironal doch dasselbe für den Orden des Sohnes getan.«
    »In der Tat. So viele Ämter – wie kann er da alle richtig ausfüllen?«
    Sie stiegen den Abhang hinauf und suchten sich ihren Weg über die gepflasterten Straßen der Stadt. Sorgsam schritten sie über die in der Mitte verlaufenden Gossen hinweg, die durch die Regenfälle der letzten Tage ausgespült waren. Schmale Geschäftsstraßen wichen breiten Plätzen mit großen Anwesen. Cazaril dachte über dy Jironal nach, als sie ein weiteres Mal unter dem Schatten von dessen Palais entlanggingen. Wenn der Fluch wirkte, indem er Tugenden verriet und verzerrte, was hatte er bei Martou dy Jironal dann an Gutem verdorben? Die Hinwendung zur Familie vielleicht – verdreht zu Misstrauen gegenüber allem, was nicht zur Familie gehörte? Das übermäßige Vertrauen in seinen Bruder entwickelte sich gewiss zu einer Schwäche und zum Niedergang.
    »Nun … ich hoffe, die gemäßigteren Stimmen können sich durchsetzen.«
    Palli verzog das Gesicht. »Das Leben bei Hofe macht noch mal einen Diplomaten aus dir, Cazaril.«
    Cazaril antwortete mit einem trostlosen Lächeln: »Ich kann dir nicht einmal ansatzweise erklären, was das Leben bei Hofe aus mir macht … oh!« Er duckte sich, als eine von Fonsas Krähen unvermittelt über ein nahes Hausdach schoss und mit heiserem Krächzen auf seinen Kopf herabstieß. Der Vogel stürzte beinahe zu seinen Füßen ab und hüpfte krächzend und flatternd übers Pflaster. Zwei weitere Tiere folgten dem ersten. Eines landete auf Cazarils ausgestrecktem Arm und

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