Chalions Fluch
die Willkommensküsse austauschen, jedoch nur auf unsere Hände.« Die Dunkelheit glättete sich ein wenig. Cazaril fühlte einen merkwürdigen Schau der, als wäre ein räuberischer Schatten über seinen Kopf hinweggezogen und besiegt davongeflogen.
»Eine bewundernswerte Zurückhaltung«, billigte Cazaril erleichtert Iselles Entscheidung.
Der Page hielt dem Herzog die Tür auf, worauf er eilig den Raum verließ.
»Wie war Eure Reise, Lord Cazaril?« Betriz nutzte die Unterbrechung, um ihn genauer zu betrachten. »Ihr seht müde aus.«
»Es war ein anstrengender Ritt, doch ansonsten ist alles gut verlaufen.« Er setzte sich ein wenig bequemer hin und lächelte zu ihr hinauf.
Sie kniff die dunklen Brauen zusammen. »Ich denke, wir müssen Ferda und Foix hereinrufen, um uns mehr zu berichten. Es war sicher nicht so einfach und eintönig, wie Ihr vorgebt.«
»Nun, wir hatten ein wenig Ärger mit Banditen in den Bergen. Dy Jironal steckte dahinter, da bin ich mir ziemlich sicher. Bergon hat sich sehr gut gehalten. Mit dem Fuchs kam ich besser zurecht, als ich erwartet hatte – aus einem Grund, mit dem ich nicht gerechnet hatte.« Er beugte sich vor und senkte die Stimme, sodass nur Iselle und Betriz ihn hören konnten: »Ihr erinnert euch an meinen Bankgenossen von der Galeere, von dem ich euch erzählt habe? Danni, der Junge aus guter Familie?«
Betriz nickte. Iselle sagte: »Das werde ich wohl nie vergessen können.«
»Ich wäre niemals darauf gekommen, wie gut die Familie das Jungen war! Danni war bloß ein Deckname, den Bergon sich zugelegt hatte, um nicht erkannt zu werden. Wie es scheint, war die Entführung eine Verschwörung des verstorbenen Thronfolgers von Ibra. Als ich vor dem ibranischen Hof stand, erkannte Bergon mich – er hatte sich sehr verändert und war so sehr gewachsen, wie ich es kaum erwarten konnte.«
Iselle blickte überrascht. Nach einer kurzen Pause hauchte sie: »Euch hat bestimmt die Göttin zu mir geschickt!«
»Ja«, räumte er widerwillig ein. »Zu diesem Ergebnis bin ich auch schon gekommen.«
Sie wandte ihren Blick der zweiflügeligen Tür auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes zu. In plötzlicher Unruhe knetete sie die Hände im Schoß. »Wie kann ich ihn erkennen? Ist er … sieht er gut aus?«
»Ich weiß nicht, wie Damen das beurteilen.«
Die Türen schwangen auf. Eine große Zahl Menschen drängte hindurch: Pagen, Schaulustige, dy Baocia und seine Frau, Bergon und dy Sould, dy Tagille und Palli, der die Nachhut bildete. Die Ibraner waren ebenfalls frisch gebadet und trugen die besten Gewänder, die sie in ihren kleinen Taschen hatten unterbringen können; dazu einige schmuckvolle Leihgaben. Bergon lächelte unbehaglich, und sein Blick huschte immer wieder von Betriz zu Iselle, ehe er schließlich auf Iselle ruhen blieb. In plötzlichem Erschrecken schaute sie unter den drei fremden Ibranern von einem Gesicht zum anderen.
Der hoch gewachsene Palli stand hinter Bergon. Er zeigte auf den Prinzen und bedeutete mit den Lippen: Der da! Iselles graue Augen leuchteten auf, und die Farbe kehrte in ihre bleichen Wangen zurück.
Sie streckte die Hände aus. »Lord Bergon dy Ibra«, sagte sie mit leicht bebender Stimme. »Willkommen in Chalion!«
»Lady Iselle dy Chalion«, erwiderte Bergon, während er auf sie zutrat. »Dy Ibra dankt Euch.« Er ließ sich auf ein Knie nieder und küsste ihre Hände. Sie senkte den Kopf und küsste die seinen.
Bergon erhob sich wieder und stellte seine Gefährten vor, die sich angemessen verneigten. Mit einer angedeuteten Verbeugung brachten der Herzog und der Erzprälat eigenhändig einen Stuhl für Bergon heran und stellten ihn neben den von Iselle, Cazaril gegenüber. Dy Tagille holte einen Lederbeutel hervor, aus dem Bergon ein königliches Begrüßungsgeschenk zum Vorschein brachte: eine Halskette mit edlen Smaragden. Es war eines der letzten verbliebenen Schmuckstücke seiner Mutter, das der Fuchs nicht für Waffen verpfändet hatte. Die weißen Pferde waren unglücklicherweise immer noch irgendwo unterwegs.
Eigentlich hatte Bergon vorgehabt, eine Schnur mit neuen ibranischen Perlen mitzubringen, doch auf Cazarils eindringliche Empfehlung hin hatte er die Edelsteine gewählt.
Dy Baocia hielt eine kurze Willkommensrede, die sehr viel länger ausgefallen wäre, hätte nicht Iselles Tante – nachdem sie einen Blick mit ihrer Nichte gewechselt hatte – eine Redepause zwischen zwei Sätzen dazu genutzt, die ganze Gesellschaft auf
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