Chalions Fluch
danach aus. »In unseren Beratungen gab es einige Besorgnis darüber.«
Cazaril lächelte leicht und ging an ihm vorüber, um zu Iselles Füßen niederzuknien. Mit einiger Mühe gelang es ihm, nicht laut vor Schmerz zu stöhnen oder schwerfällig und unschicklich vornüberzukippen. Iselle hielt ihm die Hände entgegen, und er berührte ihre Handrücken mit den Lippen. Dann reichte er ihr – und nur ihr – das Bündel mit den Papieren.
»Alles ist so geschehen, wie Ihr befohlen habt.«
Iselles Augen strahlten. »Ich danke Euch, Cazaril.« Sie sah zum Schreiber ihres Onkels hinüber. »Holt einen Stuhl für meinen Gesandten. Er hat einen langen und harten Ritt hinter sich und nur wenig Ruhe gefunden.« Sie schlug die Seidentücher beiseite.
Der Schreiber brachte einen Stuhl mit wollgefütterter Polsterung. Cazaril bedankte sich mit einem gezwungenen Lächeln und fragte sich, wie er würdevoll auf die Füße kommen sollte, um sich zu setzen. Sehr zu seiner Verlegenheit kniete Betriz an seiner einen Seite nieder, der Erzprälat zur anderen; beide zusammen schafften es, Cazaril hochzuheben. Betriz’ dunkle Augen musterten ihn eindringlich und ruhten kurz und besorgt auf seinem vom Geschwulst aufgeblähten Leib. Doch sie konnte nicht mehr tun, als ihm ein aufmunterndes Lächeln zu schenken.
Iselle las den Ehevertrag, als Cazaril sich gesetzt hatte. Er schaute zu und wartete ab. Wann immer sie mit einer Seite fertig war, gab sie das fein beschriftete Pergament an ihren ungeduldig wartenden Onkel weiter, dem es wiederum vom Erzprälaten förmlich aus den Händen gerissen wurde. Der Schreiber war der Letzte in der Reihe, doch er war nicht weniger konzentriert beim Lesen. Ehrfurchtsvoll ordnete er die Blätter wieder in der richtigen Reihenfolge.
Dy Baocia verschränkte die Hände und beobachtete, wie der Erzprälat die letzte Seite überflog; dann hielt er dem fülligen Schreiber schweigend das Pergament hin.
»Nun?«, sagte der Herzog.
»Sie hat Chalion nicht verkauft.« Der Erzprälat schlug das heilige Zeichen und hielt anschließend beide Hände mit den Handflächen nach oben, in einer Geste des Dankes an die Götter. »Sie hat Ibra gekauft! Meine Glückwünsche, Hoheit – für Euren Gesandten und für Euch.«
»Uns allen«, meinte dy Baocia. Die drei Männer schauten nun viel frohgelaunter drein.
Cazaril räusperte sich. »Ich hoffe, Ihr werdet so etwas nicht zu Prinz Bergon sagen. Immerhin bieten die Verträge beiden Seiten Vorteile.« Er blickte zu dy Baocias Schreiber. »Obwohl es vielleicht die Bedenken der Leute mindern könnte, wenn Ihr die Paragraphen in großer und gut lesbarer Schrift abschreiben und für jeden sichtbar an den Wänden neben Euren Palasttoren aushängen würdet.«
Dy Baocia runzelte unsicher die Stirn, doch der Erzprälat nickte. »Ein kluger Vorschlag, Kastellan.«
»Das würde ich gern tun«, meinte Iselle mit sanfter Stimme. »Bitte, Onkel!«
Ein atemloser Page stürzte in die Halle, blieb vor dy Baocia stehen und stieß keuchend hervor: »Eure Gemahlin sagt, Prinz Bergon und seine Begleiter kommen auf das Tor zu, und Ihr sollt Euch ihr sofort hinzugesellen, um ihn willkommen zu heißen.«
»Ich bin schon unterwegs.« Der Herzog holte tief Luft und lächelte seine Nichte an. »Dann bringen wir deinen Geliebten zu dir. Und denk daran, du musst sämtliche Küsse der Unterwerfung von ihm verlangen, auf die Stirn, die Hände und die Füße. Dass Chalion die Vorherrschaft über Ibra hat, muss unmissverständlich seien. Schütze den Stolz und die Ehre deines Hauses! Wir dürfen nicht zulassen, dass er sich über dich stellt, sonst wird er bald maßlos. Du musst von Anfang an deutlich machen, dass du selbst weiterhin alles in den Händen hältst.«
Iselles Augen wurden schmal. Der Schatten um sie herum verfinsterte sich, schien seinen Griff zu verstärken.
Cazaril richtete sich auf und warf ihr einen warnenden Blick zu, verbunden mit einem unmerklichen Kopfschütteln. »Auch Prinz Bergon hat seinen Stolz, der nicht weniger ehrenwert ist als der Eure, Hoheit. Und auch er muss sich vor seinen Großen rechtfertigen.«
Sie zögerte; dann aber sagte sie entschlossen: »Ich werde von Anfang an deutlich machen, wie ich es weiterhin zu handhaben gedenke.« Ihre Stimme war mit einem Mal nicht mehr sanft, sondern hart und schneidend. Sie wies auf den Vertrag. »Die Grundlagen unserer Gleichheit sind hier festgelegt, Onkel. Mein Stolz verlangt keine weitergehenden Bekundungen. Wir werden
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