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Chalions Fluch

Chalions Fluch

Titel: Chalions Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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größer als der endlose, nie versiegende Strom an Blut und Tapferkeit, der zur Zeit im Norden versickert? Würde man es einmal erledigen – richtig erledigen! – wäre es für alle Zeit erledigt.«
    »Aber wer sollte das tun? Es gibt keinen Mann mit genug Mut, mit Visionen und Entschlossenheit. Der König von Brajar ist ein alternder Trunkenbold, der sich mit seinen Hofdamen vergnügt. Der Fuchs von Ibra ist durch innere Unruhen gebunden. Und Chalion …« Cazaril hielt inne und erkannte, dass seine aufgewühlten Empfindungen ihn zu undiplomatischer Offenheit verlockten.
    »Teidez …«, begann Iselle und holte tief Luft. »Vielleicht wird es Teidez’ Bestimmung sein, wenn er einmal erwachsen ist.«
    Keine Bestimmung, die Cazaril einem Menschen wünschen würde. Und doch schien der Junge gewisse Anlagen zu besitzen, die einer solchen Aufgabe förderlich waren – vorausgesetzt, seine Erziehung in den nächsten Jahren konnte diese Talente angemessen zur Entfaltung bringen.
    »Eroberung ist nicht die einzige Möglichkeit, Völker zu vereinen«, hob Betriz hervor. »Das geht auch durch Heirat.«
    »In der Tat. Aber niemand kann in drei Königreiche und fünf Fürstentümer einheiraten«, hielt Iselle dagegen und rümpfte die Nase. »Nicht auf einmal, jedenfalls.«
    Diesen Augenblick nutzte der grüne Vogel, um eine besonders unanständige Bemerkung in unflätigem Roknari von sich zu geben – womöglich war er verärgert darüber, dass seine Zuhörerschaft ihm nicht länger die ungeteilte Aufmerksamkeit widmete. Der Vogel eines Matrosen, in der Tat – eines Galeerenmannes, urteilte Cazaril. Umegat lächelte dünn, als Cazaril ein unwillkürliches Schnauben ausstieß. Doch als Iselle und Betriz die Lippen zusammenpressten, leicht erröteten, verstohlene Blicke tauschen und Mühe hatten, ernst zu bleiben, runzelte der Tierpfleger doch ein wenig die Stirn. Mit geübtem Griff holte er eine Kappe hervor und zog sie dem Vogel über den Kopf.
    »Schlaf gut, mein grüner Freund«, meinte er zu ihm. »Ich fürchte, du bist noch nicht bereit, dich in gesitteter Gesellschaft zu bewegen. Vielleicht sollte Lord Cazaril mitunter vorbeikommen, um auch dich in höfischem Roknari zu unterweisen, nicht wahr?«
    Nach Cazarils Ansicht schien Umegat selbst vollkommen in der Lage zu sein, höfisches Roknari zu unterrichten. Doch diese Gedanken wurden unterbrochen, als überraschend zügige Schritte vor dem Zugang zum Vogelhaus erklangen. Es war Orico, der lächelte und sich ein wenig Bärenspeichel von der Hose wischte. Die Aussage des Majordomus am Tag ihrer Ankunft entsprach offenkundig vollständig den Tatsachen: Dem König schien seine Menagerie tatsächlich Trost zu spenden. Seine Augen glänzten, und er hatte wieder Farbe im Gesicht. Orico hatte sich sichtlich von der dumpfen Erschöpfung erholt, die er unmittelbar nach dem Frühstück gezeigt hatte.
    »Ihr müsst mitkommen und meine Katzen anschauen«, sagte er zu den Damen. Sie alle folgten ihm in den gemauerten Mittelgang, wo er stolz auf einige Käfige wies. Darin waren zwei wunderschöne, goldfarbene Katzen mit Pinselohren zu sehen, aus den Bergen Südchalions, sowie eine seltene blauäugige Albino-Bergkatze derselben Art, mit auffallenden schwarzen Haarbüscheln an den Ohrenspitzen. An diesem Ende des Gangs gab es auch einen Käfig mit zwei Tieren, die Umegat als Inselsandfüchse bezeichnete. Sie sahen aus wie dürre, zwergwüchsige Wölfe, aber mit riesigen dreieckigen Ohren und misstrauischem Blick.
    Mit einigem Überschwang wandte Orico sich schließlich seinem offensichtlichen Liebling zu, dem Leopard. Als das Tier an der silbernen Kette herausgeführt wurde, rieb es sich zuerst an den Beinen des Königs und stieß eigenartige, kurze Knurrlaute aus. Cazaril hielt den Atem an, als Iselle sich auf Aufforderung ihres Bruders niederkniete und die Raubkatze streichelte – das Gesicht unmittelbar neben den kräftigen Kiefern. Auf Cazaril wirkten diese glänzenden Bernsteinaugen alles andere als freundlich, doch in offensichtlichem Genuss schlossen die Lider sich halb darüber und die breite, ziegelsteinrote Nase bebte, während Iselle das Tier kräftig am Kinn kraulte und mit gespreizten Fingern durch das phantastisch gefleckte Fell fuhr. Wie auch immer – als Cazaril sich niederbeugte, bekam das Knurren einen Beiklang, der sich in seinen Ohren entschieden feindselig anhörte, und der abwesende Blick der Bernsteinaugen ermutig te ihn nicht dazu, sich ähnliche Freiheiten

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