Chalions Fluch
ich das Schmuckarrangement aus Granat, das Mama mir überlassen hat. Niemand kann mir Vorwürfe machen, wenn ich die Juwelen meiner Mutter trage.«
»Was hat Euer Bruder wohl mit den erfreulichen Ankündigungen gemeint?«, warf Nan dy Vrit ein. »Er wird doch wohl nicht schon eine Entscheidung bezüglich Eurer Verlobung getroffen haben?«
Iselle schwieg eine Zeit lang, sagte dann aber entschieden: »Nein. Das ist nicht möglich. Es müssten monatelange Verhandlungen vorausgehen – Botschafter, Briefe, der Austausch von Geschenken, Verträge über die Mitgift – und man müsste meine Zustimmung gewinnen und ein Porträt von mir anfertigen lassen. Und ich werde ein Porträt des Mannes zu sehen kriegen, wer immer es sein mag. Ein unverfälschtes und ehrliches Porträt, von einem Künstler, den ich selbst entsenden werde. Wenn mein Prinz fett ist, oder kahlköpfig, wenn er schielt oder eine herabhängende Unterlippe hat – meinetwegen. Aber die Malerei soll mich nicht belügen!«
Betriz verzog das Gesicht bei dem Bild, das diese Worte heraufbeschworen. »Ich hoffe von Herzen, dass Ihr einen gut aussehenden Herrn gewinnt, wenn es so weit ist.«
Iselle seufzte. »Das wäre schön. Aber es ist nicht allzu wahrscheinlich, wenn ich an das Äußere der meisten fürstlichen Herrn denke, die ich bisher zu sehen bekommen habe. Ich sollte meine Wünsche auf ›gesund‹ beschränken und die Götter nicht mit Gebeten plagen, die sie nicht erfüllen können. Gesund soll er sein – und ein Quintarier.«
»Sehr vernünftig«, warf Cazaril ein und ermutigte Iselle zu dieser praktischen Einstellung, jedoch nicht ganz ohne die Hoffnung, dass diese ihm in naher Zukunft das Leben erleichtern könnte.
Besorgt meinte Betriz: »In diesem Herbst sind viele Gesandte aus den Fürstentümern der Roknari bei Hofe ein und aus gegangen.«
Iselle kniff die Lippen zusammen. »Hm.«
»Unter den höchsten Herren stehen nicht allzu viele Quintarier zur Wahl«, räumte Cazaril ein.
»Der König von Brajar ist wieder verwitwet«, merkte Nan dy Vrit an und schürzte die Lippen.
Iselle winkte ab. »Den ganz gewiss nicht. Er ist siebenundfünfzig Jahre alt, leidet an Gicht und hat bereits einen erwachsenen, verheirateten Erben. Was hätte es für einen Sinn, wenn ich einen Sohn bekomme, der seinem Onkel Orico gewogen ist – oder seinem Onkel Teidez, wenn es sich so ergeben sollte –, wenn dieser Sohn dann nicht auch sein Land regiert?«
»Es gäbe da noch Brajars Enkelsohn«, sagte Cazaril.
»Sieben Jahre alt! Ich müsste weitere sieben Jahre warten …«
Was gar nicht so übel wäre, dachte Cazaril.
»Jetzt ist zu früh, aber sieben Jahre? Bis dahin ist es zu spät. In sieben Jahren kann alles Mögliche passieren. Menschen sterben, Kriege brechen aus …«
»Das ist wahr«, bemerkte Nan dy Vrit. »Euer Vater, König Ias, verlobte Euch mit einem Prinzen der Roknari, als Ihr zwei Jahre alt wart. Doch der arme Junge fing sich ein Fieber ein und starb kurz darauf, also wurde nichts daraus. Andernfalls wärt Ihr schon vor zwei Jahren in sein Fürstentum geholt worden.«
Ein wenig neckisch sagte Betriz: »Der Fuchs von Ibra ist ebenfalls Witwer.«
Iselle würgte hervor: »Der? Der ist über siebzig!«
»Aber wenigstens ist er nicht fett. Und Ihr würdet ihn ohnehin nicht lange ertragen müssen, nehme ich an.«
»Ha! Ich glaube, er könnte noch weitere zwanzig Jahre leben, nur aus Bosheit – das sähe ihm ähnlich! Und sein Erbe ist ebenfalls verheiratet. Ich glaube, sein zweiter Sohn ist der einzige Prinz in den Königreichen, der ungefähr in meinem Alter ist, und er ist nicht der Thronfolger.«
»In diesem Jahr wird Euch kein Ibraner angeboten, Hoheit«, teilte Cazaril ihr mit. »Der Fuchs von Ibra ist außerordentlich ungehalten über Orico wegen seiner ungeschickten Einmischung in den Krieg in Süd-Ibra.«
»Ja, aber … wie es heißt, sind alle Edlen von fürstlichem Geblüt in Ibra für den Dienst zur See ausgebildet«, sagte Iselle und blickte nachdenklich.
»Und was soll das Orico nutzen?« Nan dy Vrit schnaubte. »Chalion hat keinen Zoll Küste.«
»Sehr zu unserem Schaden«, murmelte Iselle.
Cazaril sagte bedauernd: »Als Gotorget noch in unserer Hand war und wir die dazugehörigen Pässe hielten, waren wir in der Lage, den Hafen von Visping einzunehmen. Aber diesen Brückenkopf haben wir inzwischen verloren. Nun, wie auch immer – meine beste Vermutung wäre, dass ihr einem Herrn aus Darthaca bestimmt seid. Also lasst uns
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